Kabarett

Hosea Ratschiller: Nicht Sex haben, "das ist eine Kulturleistung"

(c) ERNESTO GELLES
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Der Kabarettist spielt in seinem neuen Programm einen Kleinbürger, der die Dinge richtig machen will - aber dann kommen ihm ein Brotmesser, ein Staubsaugerroboter und die eigene Unzulänglichkeit dazwischen.

Hosea Ratschiller will Verantwortung übernehmen. Ein guter Mensch sein. Ein guter Vater, ein cooler aber auch. Das ist nicht so leicht: In welchem Tonfall gebietet man seiner Tochter, ihr Zimmer aufzuräumen, ohne dabei alt und spießig rüber zu kommen? Zumal sie genau weiß, dass es der Vater im eigenen Leben mit der Ordnung auch nicht so hat, und jeden elterlichen Befehl mit einem Greta-Thunberg-Blick abstraft?

Ausgehend von dieser Frage verpackt Ratschiller in seinem neuen Soloprogramm „Ein neuer Mensch“ Überlegungen über antiautoritäres Benehmen, Sozialstaatabbau, Klimawandel und Selbstzweifel in amüsante Familiengeschichten. Die Technik, die er dabei anwendet und reumütig benennt, ist das „Einetheatern“: ein dramatisches, für Ratschiller typisch österreichisches Hineinsteigern in scheinbare Nebensächlichkeiten also. Er tut es in der ihm eigenen eleganten, sanften Stimme, mit spektakulären thematischen Schwenkern und lapidaren Pointen, während er sich selbst ständig mit einer Hand die Haare rauft. Und dazwischen persönliche Zukunftssorgen einstreut, etwa was das Hochschwappen verdrängter Erinnerungen im Alter betrifft: „Was wird mal aus mir raussprudeln?“

Doch erstmal sitzt er im eigenen Stiegenhaus fest. Ausgesperrt, im zu kurzen Firmanzug, den er sich zuvor extra angezogen hat, um in eine bessere Bäckerei zu gehen und ein „besseres Brot" zu kaufen. Das Los der Künstler: „Wir haben zu viel Geschmack für unseren Geldbeutel.“ Am teuren Brot ist dann aber das billige Brotmesser gescheitert. Der langjährige FM4-Ombudsmann und Gastgeber der Kabarettsendung „Pratersterne“ versetzt sich in Christoph Kolumbus, der mit der Zuversicht eines Start-up-Junggründers seine Ideen am spanischen Hof pitcht, in einen Grönland-Hai, der im Alter von 150 Jahren in die Pubertät kommt, er vergleicht sich mit seinem Staubsaugerroboter und betont die zivilisatorische Errungenschaft, abends nicht mit seiner Frau zu schlafen: „Pudern kann jedes Vieh – aber DVD-Schauen, das ist eine Kulturleistung!“

Bildung aus dem Pubquiz

Seine Bühnenfigur ist ein Mann, der am Glauben an die eigene Bedeutsamkeit festhält, indem er sein Scheitern romantisiert, seine Mängel schönredet – und der Wissenslücken lieber mit Fun Facts aus dem Pubquiz kaschiert, anstatt sich wirklich auf Debatten einzulassen. Der ja eh Verantwortung übernehmen will, aber dann vielleicht lieber doch nicht. Es ist ein politisch brisantes Kleinbürger-Psychogramm, das Ratschiller durch liebliche Witze durchscheinen lässt. Bei der Premiere im Kabarett Niedermair gab es dafür begeisterten Applaus.

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