Philosophicum Lech

Die Werte der wenigen

(c) Illustration: Bernd Zeller.
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Für die einen sind sie schuld an Kriegen, Finanz- und Wirtschaftskrisen, Umweltzerstörung und desaströsen Bildungsreformen; den anderen gelten sie als einziger Garant für Weltoffenheit, Toleranz, Gleichheit und Gerechtigkeit in der Welt. Brauchen wir Eliten? Und wenn ja: Wozu?

Über Eliten wird wieder gesprochen. Spitzenpolitiker, Topmanager, Meinungsführer und prominente Intellektuelle sehen sich einer scharfen Kritik ausgesetzt, die nicht wie in den Sechzigerjahren des vorigen Jahrhunderts von links, sondern von Rechtspopulisten und Neokonservativen vorgetragen wird. Die Eliten agierten selbstgerecht und abgehoben, sie hätten den Kontakt zu den Sorgen und Nöten der Menschen verloren, sie trügen bei zur Spaltung der Gesellschaft und akkumulierten deren Reichtum auf ihrer Seite. Eliten seien vor allem eitel, unfähig zur nüchternen Selbsteinschätzung, gierig, rücksichtslos, unverschämt und bigott.

Vor allem aber, und dieser Eindruck lässt sich ja wirklich nur schwer vermeiden: Sie leisten nicht das, was sie gerne als Grund für ihre Auserlesenheit angeben. Welt- und Bürgerkriege, Finanz- und Wirtschaftskrisen, Massenvernichtungswaffen, Armut, Umweltzerstörung und desaströse Bildungsreformen: Sind das nicht auch Produkte der Eliten? Ein Gutteil der politischen Katastrophen und Skandale der vergangenen Jahre verdankt sich auch den Tätigkeiten, Empfehlungen, Einschätzungen und Fehleinschätzungen der Eliten. All das lässt nicht auf Weitsicht, Umsicht, Redlichkeit schließen. Überdies, so eine weitere Kritik, neigen Eliten zur Abschottung, zur sozialen Reproduktion ihrer selbst, zur Realitätsverweigerung und zu hysterischem Verhalten, wenn ihre Privilegien und Positionen auch nur von fern infrage gestellt werden. Obwohl selbst ohne Moral, immunisieren sie sich gegen Kritik gerne durch Moralisierung. Geschlossene Gesellschaften aber, wie sie Eliten als soziale Gruppierungen in einem hohen Maße darstellen, sind auch nicht wirklich kreativ. Soziale, wissenschaftliche, ästhetische und technische Innovationen kommen in der Regel von den Rändern der Gesellschaft, nicht aus den Zentren der Eliten.

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