Symbolbild.
Nationalratswahl

Wahl-ABC: Das war der Wahlkampf 2019

Ein Alphabet aus der letzten Folge des (mitunter satirischen) täglichen Wahl-Newsletters des „Die Presse“-Herausgebers.

A wie Anpatzen. Das funktioniert in jedem Wahlkampf: Kurz lügt immer und am liebsten im Privatjet, Rendi-Wagner ist hysterisch in Saint-Tropez, Norbert Hofer fiebert schon wieder lächelnd, Beate Meinl-Reisinger ist eigentlich nur die persönliche Assistentin von Hans Peter Haselsteiner, und Werner Kogler war schon wieder zu lang unterwegs. Und Peter Pilz. Wissen wir eh. Das systematische Diskreditieren des Gegners fällt auf den Angreifer zurück. Deswegen verwendet Kurz das Anpatzen zum Anpatzen. Und generell gilt: Je jünger man ist, desto leichter patzt man sich an, im Alter nimmt das dann auch wieder zu.

B wie Biografie.
Die „Journalistin“ Judith Grohmann hat eine autorisierte Biografie von ÖVP-Chef Sebastian Kurz verfasst und schaffte damit das Undenkbare: Kurz waren Lobpreisung und die schmeichelnden Formulierungen schon wieder peinlich und zu viel. Eine echte Premiere.

C wie Comeback. Werner Kogler feierte das größte Comeback seit Rocky Balboa, von dem er sich auch sonst Anleihen nahm. Er ist der erste grüne Politiker, der den fröhlichen Macho geben darf. Wäre es die ÖVP, würden wir mit dem „Falter“ gemeinsam den Kurz-Geheimplan veröffentlichen, dass der Rauswurf aus dem Nationalrat und der schmutzige Straßenkampf gut geplant und inszeniert wurden.

D wie Dr.
Ein sehr zarter Hinweis der SPÖ-Chefin auf ihren Plakaten, der vom direkten Mitbewerber unterscheiden soll. Und D wie Dirndl und Disco-Koalition: Die Köpfe von ÖVP, Grünen und Neos würden gern miteinander regieren, aber wissen nicht, wie sie es ihren Parteien, Wählern, Eltern und Kindern erklären sollen.

E wie EU-Kommissar.
Diese Geschichte wird Johannes Hahn noch seinen Enkeln erzählen. Der unauffällige Novomatic-Manager wurde einst zum unauffälligen ÖVP-Chef (damals von vielen heutigen Neos umgeben), um später unauffälliger EU-Kommissar zu werden. Drei Mal. So geht Karriere. Wer ist bitte Sebastian Kurz?

F wie Fridays for Future. Nach den Donnerstagen wurden die Freitage zum Problem für die vorige Regierung und wohl der kommenden auch. Die Jungen werden die Notwendigkeit von Koalitionskompromissen nicht so einfach verstehen wollen.

Fridays for Future
Fridays for FutureAPA/HANS PUNZ

G wie Grün. Ist plötzlich wieder die Modefarbe, das satte Grün von Werner Kogler gehört dazu wie auch die blau-grüne Mischung genannt Türkis. Und natürlich G wie Grooming. Ich habe noch immer nicht verstanden, was das ist. Sebastian Kurz konnte oder wollte es mir auch nicht erklären.

H wie Hack.
Egal, ob man dabei an Computer oder Braten denkt: negativ konnotiert und sehr unangenehm für die ÖVP. Wobei: In der Logik der Kurz-Gemeinde hat man lieber ein großes Datenleck als einen Maulwurf. Und veröffentlichte Skandale über die alte schwarze Mitterlehner-ÖVP fänden die Türkisen lustig.

I wie Ibiza.
War schon vor der Thomas-Cook-Pleite ein problematisches Reiseziel: Heinz-Christian Strache hat es zudem nicht verstanden. Man trinkt im Club Wasser, liegt am Strand oder auf dem Boot. Die Finca ist nur zum Schlafen da.

J wie Jetzt.
Peter Pilz wird nicht verschwinden, nun strebt er die Weltherrschaft auf Austro-Twitter an.

K wie Kickl.
So schnell kann es gehen: vom Innenminister zur Koalitionsbedingung. Es kann auch noch schlimmer kommen: Er muss die Wiener FPÖ übernehmen und das dunkle Strache-Netzwerk beseitigen. Die Höchststrafe.

L wie Landesverteidigung.
Alle wollen plötzlich mehr Geld für das Heer. Den Ministerjob dazu wird kaum wer wollen.

M wie Misstrauensantrag.
Erstmals wurde einer Regierung im Nationalrat das Misstrauen ausgesprochen. SPÖ, FPÖ und Peter Pilz schenkten Sebastian Kurz das beste Wahlkampfthema und viel Zeit, diesen ausführlich zu führen. Der größte Fehler von Pamela Rendi-Wagner.

N wie Nationalrat.
In unterschiedlichsten Konstellationen verschenkten die Parteien Milliarden Euro. Verantwortungsvoller Parlamentarismus sieht anders aus.

O wie Opfer.
Unter noch jüngeren Menschen wie Sebastian Kurz ist „Voll das Opfer, eh“ nicht unbedingt eine Auszeichnung. Kurz schlüpft dennoch immer wieder in die Rolle, es gab auch wirklich Gegenwind. Strache versuchte das nach Ibiza auch, Kickl glaubt ihm das bis heute.

P wie Präsident.
Alexander Van der Bellen gab in den Krisenwochen den Präsidentschafts-Teddy: brummig, gütig, zum Anhalten und Hoffen. „Wir sind nicht so“ und „Das wird schon“: Wird interessant, ob er das in den kommenden Wochen auch noch so sieht. Er darf mittlerweile sagen, was er will, und alle nicken. Etwa, dass die Verfassung elegant und schön sei. Ist sie nicht, sondern aus einem ganz anderen Jahrhundert.

Q wie Quereinsteiger.
Gestern noch Quereinsteiger, heute schon wieder Altkandidat: Kurz tritt fast mit seiner gesamten alten Liste an. Die Grünen sind Quereinsteiger sui generis, sie sind nicht im Nationalrat. Für die Neos tritt Helmut Brandstätter an, was für Unterhaltung im Parlamentsklub sorgen dürfte. Und in den Medien.

NR-WAHL: MITGLIEDERVERSAMMLUNG NEOS - BRANDSAeTTER / MEINL-REISINGER
NR-WAHL: MITGLIEDERVERSAMMLUNG NEOS - BRANDSAeTTER / MEINL-REISINGERAPA/BARBARA GINDL

R wie Rücktritte. Erst seit zwei Jahren ist Kurz Parteichef – und schon ist er der längstdienende an der Spitze einer Parlamentspartei. Alle anderen ziehen mit einem anderen Spitzenkandidaten in die Wahl als 2017: Christian Kern, Heinz-Christian Strache, Matthias Strolz und Peter Pilz sind inzwischen als Parteichefs zurückgetreten, bei den Grünen haben sich sowohl die damalige Parteichefin Ingrid Felipe als auch Spitzenkandidatin Ulrike Lunacek zurückgezogen. Rücktritt bei einer Partei nach der Wahl nicht ausgeschlossen.

S wie Schreddern oder Sommerloch.
Ein Mitarbeiter des Kanzleramts taucht sichtlich nervös und unter falschem Namen bei der Firma Reißwolf auf und lässt Festplatten schreddern – und zahlt die Rechnung nicht. Klingt dämlich absurd und wird für zwei Wochen lang medial der vermeintlich größte Skandal überhaupt. Wird rasch vergessen. Was nicht vergessen werden sollte: Warum landet nicht das gesamte Material von allen Ressorts im Staatsarchiv?

T wie Tierschutzbeauftragte. Ohne Philippa Strache gäbe es nur Strache, Spesen und Ibiza. Erst Philippa Strache macht eine echte Telenovela daraus. Da sie für die FPÖ für den Nationalrat kandidiert, ist die Fortführung garantiert. Als Tierschutzbeauftragte wird sie unter Umständen weniger öffentlich auftreten als eventuell als wilde Abgeordnete. Oder ganz anders: Sie wird die Hillary Clinton der FPÖ!

Heinz-Christian Strache mit seiner Frau Philippa
Heinz-Christian Strache mit seiner Frau PhilippaAPA/AFP/ALEX HALADA

U wie Ü wie Übergangsregierung. Die Österreicher haben ihre Traumregierung gefunden: Alternde Beamte führen den Staat ohne politische Ambition und Entscheidungskraft. Bravo! So geht Österreich.

V wie Videos.
Ein ganzes Land schaute im Mai freizügige Ibiza-Ausschnitte auf dem neuen Videokanal YouPolitik, Österreichs Antwort auf YouPorn und die Digitalisierung. Da kam noch mehr: Paartherapie mit Norbert Hofer, Alfred Gusenbauer für die SPÖ und Christiane Hörbiger für die ÖVP. Nun ja.

W wie Waldviertel.
Sebastian Kurz sprach 2017 von seinem Geburtsort und Schulort Wien-Meidling, 2019 von seinem Sommerferien- und Großfamilienort im Waldviertel. Pamela Rendi-Wagner hatte damit ihr stärkstes Argument gegen Kurz. Unter uns: Der betreffende Ort in Niederösterreich liegt zwar geografisch im Waldviertel, für jemanden aus Gmünd, also echte Waldviertler, ist er eigentlich schon Weinviertel. Wien-Umgebung ist ja auch nicht Wien. Der Hochstapler der!

X auf dem Wahlzettel
schaffen wir.

Ywie Y-Chromosom. 3.094.449 Männer sind diesmal wahlberechtigt, aber 3.299.752 Frauen. Also entscheiden das die Frauen. Meinungsforscher Wolfgang Bachmayer sagt, diesmal würden Frauen – vor allem ältere – zu Kurz tendieren, Rendi-Wagner würde überraschend schlecht bei dieser Gruppe liegen. Ich habe ihm im TV sogar widersprochen. Die Wette läuft.

Z wie Zeit.
Habe ich jetzt wieder mehr.

no/maf

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