Pröll: „Die SPÖ sieht die ÖBB als Vorfeldorganisation“

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Proell bdquoDie SPoe sieht(c) APA (GEORG HOCHMUTH)
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Finanzminister Pröll sagt, dass auch Stiftungen ihren Beitrag leisten müssen. Überweisungen von Privaten wären von einer etwaigen Finanztransaktionssteuer freilich ausgenommen, so Pröll weiter.

„Die Presse“: Wie hält es die ÖVP nun mit der Finanztransaktionssteuer? Können Sie sich wie manche in Ihrer Partei und wie die SPÖ den nationalen Alleingang vorstellen?

Josef Pröll: Nein, den sehe ich nicht. Die Finanztransaktionssteuer kann nur im europäischen Kontext diskutiert werden. Viele Länder wollen sie, etwa die Deutschen, für einen österreichischen Alleingang gibt es keine Notwendigkeit. Es wäre für den ohnehin kleinen und sensiblen Finanzplatz Wien ein falsches Signal, damit würden wir ihn riskieren. Wir waren uns auch in der Regierung einig, dass die Steuer auf europäischer Ebene kommen soll.

Das heißt, Sie sehen keine Notwendigkeit für ein EU-weites Volksbegehren, das Werner Faymann plant.

Pröll: Nein, wir sind bereits auf diesem Weg. Wir brauchen keine teure Kampagne zur Absicherung unseres Plans. Wir wissen, was wir wollen.

Wen soll denn diese Transaktionssteuer genau treffen? Alle?

Pröll: Es wird natürlich keine Steuer auf Überweisungen von Privaten geben. Es soll sie auf internationale Geldgeschäfte und Aktienspekulationen geben, bei den Veranlagungen der Pensionskassen müssen wir vorsichtig sein. Wir besprechen das gerade im Finanzministerium. Europa kann das jedenfalls einführen, ohne Schaden zu nehmen. Auch Brasilien hat so eine Steuer; das Land ist auch groß genug, auch wenn diese Streuer nicht sehr ergiebig ist.

Brasilien wird von Lula, einem deklarierten Linken und Gewerkschafter, regiert. Was ist das für ein Vorbild für einen Finanzminister und ÖVP-Chef?

Pröll: Ich habe schon in der Perspektiven-Gruppe der ÖVP eine Einführung der Tobin-Tax angesprochen. Es geht uns nicht um Ideologie, sondern um Gerechtigkeit. Alle müssen ihren Anteil zur Bewältigung unserer Probleme leisten. Am wichtigsten ist es aber sicher, die Ausgabendynamik in den Griff zu bekommen.

Stimmt, davon hört man aber weniger. Was planen Sie denn nun?

Pröll: Alle Minister müssen mit dem Budgetgesetz, das bis 2014 die Ausgaben begrenzt, planen und auskommen. Das ist ein Spardruck, der öffentlich noch weit unterschätzt wird. Mit der ÖVP wird es jedenfalls keinen Euro mehr geben, etwa durch ein Nachtragsgesetz.

Sie haben einmal ausgeschlossen, dass die Steuern erhöht werden. Genau das passiert nun.

Pröll: Es stimmt, dass man diese meine Aussagen durchaus kritisch sehen kann. Ich bin aber der Juniorpartner in der Regierung, in einer Rolle, die ich mir nicht ganz freiwillig ausgesucht habe. Es werden jedenfalls Kosten reduziert. Ich habe damals versucht, nicht sofort eine Steuerdebatte vom Zaun zu brechen.

Ihre Aussage war also strategischer Natur, um die SPÖ im Zaum zu halten.

Pröll: Ich muss zur Kenntnis nehmen, dass es den Sozialdemokraten um die Einnahmen geht, mir geht es um die Ausgaben.

Das heißt, ein Finanzminister muss manchmal lügen.

Pröll: Er soll nicht lügen, aber er soll sich strategisch immer richtig verhalten.

Wenn alle sparen müssen, betrifft das auch die Stiftungen.

Pröll: Ich warte auf inhaltliche Vorschläge der SPÖ. Ich kann nicht 60 Milliarden Stiftungsvermögen aufs Spiel setzen, das durch eine plötzliche massive Besteuerung aus Österreich weg wäre. Aber alle werden ihren Anteil tragen. Das steht außer Zweifel.

Wieso sind Sie aus dem ÖBB-Aufsichtsrat beleidigt ausgestiegen? Nur wegen einer Position?

Pröll: Nein, in den ÖBB zeichnet sich schon seit Längerem ein politischer Wechsel ab, die Gewerkschaft feiert fröhliche Urständ. Die SPÖ sieht das Unternehmen als Vorfeldorganisation, und die Führung glaubt, weitermachen zu können wie bisher. Das spricht einfach dafür, dass die SPÖ auch als Einzige die volle Verantwortung übernimmt. Wir gehen in der ÖIAG einen ganz anderen Weg. Ich mische mich dort nicht ein. Ich will Dividenden für die Steuerzahler sehen. Bei den ÖBB ist das der andere Weg: Dort wird der politische Druck verstärkt. Dort werden kritische Geister nicht mehr gehört.

Die ÖBB werden also ab sofort Ihr Wahlkampfthema. Die ÖBB als Bawag auf Gleisen?

Pröll: Die ÖBB sind ein enorm wichtiges Unternehmen mit einer zentralen Stellung für Österreich. Das wird in der SPÖ so nicht gehen, dort steht der politische Einfluss im Vordergrund. Der Aufsichtsrat musste die Konsequenzen ziehen. Es kann nicht sein, dass alle sparen müssen, nur die ÖBB nicht. Dort gibt es Privilegien, die zu beseitigen sind. Aus Sicht der SPÖ sind die ÖBB offenbar von der Notwendigkeit des Sparens ausgenommen. Das kann man niemandem verkaufen. Tausende Pendler ärgern sich etwa täglich über unerträgliche Verspätungen und Bedingungen. Dafür muss jemand die Verantwortung übernehmen.


Ministerin Doris Bures will sparen und den Brennerbasistunnel nicht bauen – oder ihn zumindest bis auf Weiteres verschieben.

Pröll: Das glaube ich nicht, ich habe noch ihre Worte im Ohr, dass der Tunnel kommt. Sie hat klipp und klar gesagt, dass es keine Streichungsliste gebe. Sie wird bis Herbst evaluieren, wie schnell und in welcher Intensität es weitergeht. Wir warten auf ihre Pläne für ein wichtiges Projekt, das die Betroffenen in Tirol zu Recht erhoffen. Wenn man mit den Kosten argumentiert: Wenn man sich anschaut, wie Geld in den ÖBB wegen des Pensionssystems verbraten wird, muss dieses Projekt finanzierbar sein.

LEXIKON

Finanztransaktionssteuer

Die FTS würde Finanzbewegungen mit 0,05 bis 0,1 Prozent besteuern. Besteuert wird, so Pröll, der Aktienhandel – aber nicht „private“ Überweisungen.

Devisentransaktionssteuer

Die sogenannte Tobin-Tax würde alle grenzüberschreitenden Devisentransaktionen besteuern.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 29.05.2010)

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