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Neuer Thriller von Bernhard Aichner: Ein Fund, der alles verändert

In Bernhard Aichners neuem Thriller spielen Südfrüchte eine wichtige Rolle.
In Bernhard Aichners neuem Thriller spielen Südfrüchte eine wichtige Rolle.www.fotowerk.at
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Eine Lieferung Bananen, in der Kokain versteckt wurde: Eine folgenschwere Entdeckung steht am Anfang des neuen, clever konstruierten Thrillers von Erfolgsautor Bernhard Aichner.

Später, daheim, wird sie alles auf die Küchenwaage legen, die kleinen weißen Päckchen nacheinander abwiegen, und ihr genaues Gewicht kennen: Zwölfkommafünfundsiebzig Kilogramm Kokain liegen da vor ihr.

Sie weiß es sofort, als sie hinten im Lager des Supermarkts die Bananenschachtel öffnet und das weiße Pulver unter den gelben Früchten entdeckt: Es ist ein Fund, der ihr Leben verändern kann. Wenn sie jetzt niemandem etwas sagt. Was tun? Wie es sich gehört, die Polizei rufen? Oder schweigen und den millionenschweren Fund als Chance sehen? Noch einmal neu beginnen, mit Anfang 50 alles hinter sich lassen, die miese Ehe, den tristen Job im Supermarkt?

„Was würden Sie an Ritas Stelle tun?“ Es ist ein durchaus moralisches Szenario, das Bernhard Aichner an den Beginn seines neuen Thrillers „Der Fund“ stellt. Und sollte es beim Leser während dieser ersten Zeilen noch Zweifel geben, wie sich Rita entscheiden wird, ist schon am Ende der ersten Seite klar, was Rita tut und wie die ganze Sache enden wird:


Rita wird jemanden töten.
Und dann wird jemand sie töten.
Weil sie diesen Karton geöffnet hat, wird Rita sterben.
Bald schon.

Nein, Aichner war noch nie ein Autor, der lang fackelt. Diesmal aber beginnt er sozusagen überhaupt gleich mit dem Ende – und hat den Leser schon mitten hineingezogen in seine Geschichte, die allein schon wegen einer Supermarktverkäuferin als unerwarteter Thriller-Protagonistin eine ungewöhnliche ist. Rita ist also tot – verbrannt in ihrem Auto, wie man wenig später erfährt, offensichtlich ein Werk von Profis. Man klaut eben besser nicht kiloweise fehlgeleitetes Kokain und versteckt es bei seiner todkranken Nachbarin.

Im Vergleich zu seiner erfolgreichen „Totenfrau“-Trilogie, mit der dem Tiroler Autor ab 2014 der weltweite Durchbruch gelungen ist, rast die Handlung diesmal nicht ganz so schnell dahin, „Der Fund“ ist auch – die gute Nachricht für alle, die knallharte Thriller weniger schätzen – keine besonders leichen- und blutlastige Geschichte geworden.

Weniger spannend macht das die Sache aber keineswegs, und es zeigt sich – nach seinem charmanten Ausflug ins Liebesroman-Genre („Kaschmirgefühl“) im heurigen Frühling – einmal mehr: Aichner kann das einfach. Thriller schreiben. Spannung aufbauen. Das Genre hat er zwar nicht neu erfunden – aber wieder einmal überraschend variiert und mit einem komplexen und durchdachten Plot versehen, den man in den ersten Seiten noch nicht ansatzweise erahnt.

Wie schon im letzten Thriller „Bösland“ verlässt sich Aichner in „Der Fund“ dankenswerterweise nicht auf jene Elemente, mit denen die „Totenfrau“-Teile so unsagbar gut funktioniert haben. Kein mehr desselben, kein Abklatsch des alten Erfolgs, sondern eine ganz neue Story, die auf andere, etwas langsamere und, ja, auch nachdenklichere Art mitreißt. So nachdenklich ein Thriller eben sein kann.

Seinem charakteristischen Stil bleibt der Autor aber treu: Knappe, präzise Sätze, kurze Kapitel, in denen kein unnötiges Wort, kein nebensächliches Detail vorkommt, dafür aber viele, viele Dialoge. Jedes zweite Kapitel besteht aus Befragungen, die ein gesichts- und namenloser Kriminalbeamter in Ritas Umfeld führt. Wieso wird da etwa ein Staatsanwalt befragt, dem sogar eine Affäre mit der Supermarktverkäuferin unterstellt wird? Und wieso scheinen alle Befragten nicht ganz die Wahrheit zu sagen?

Bestsellerverdacht. Viel mehr lässt sich über den Inhalt nicht erzählen, will man nicht eine der Wendungen verraten. Auf seiner Facebookseite, auf der sich seine Fans von ihm „Schnuggis“ nennen lassen, postete Aichner kürzlich: „Das ist wohl das schönste und beste Buch, das ich je geschrieben habe.“ Ob das alle Fans so sehen? Bleibt abzuwarten. Ob es weit oben in den Bestsellerlisten auftauchen wird? Mit Sicherheit. Und mit Recht.

Neu Erschienen

Bernhard Aichner
Der Fund

btb-Verlag
352 Seiten
20,60 Euro

("Die Presse", Print-Ausgabe, 29.09.2019)

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