Telefonaffäre

Trump versucht Befreiungsschlag

President Donald Trump (L) and Vice President Mike Pence are greeted by guests and their mobile phones as they arrive fo
President Donald Trump (L) and Vice President Mike Pence are greeted by guests and their mobile phones as they arrive foimago images/UPI Photo
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Der innenpolitisch angeschlagene US-Präsident mobilisiert via Twitter seine Anhänger. Die Demokraten sind mehrheitlich für die Einleitung eines Amtsenthebungsverfahrens.

Washington/Wien. Obwohl noch über ein Jahr Zeit ist bis zur nächsten US-Präsidentenwahl, scheinen die Vereinigten Staaten bereits mittendrin in einem überaus hässlich geführten Wahlkampf. Präsident Donald Trump, wegen seines ominösen Telefonats mit dem ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskij von Ende Juli schwer unter politischen Druck geraten, versuchte am Wochenende einen Befreiungsschlag durch Mobilisierung seiner Anhängerschaft via eines auf Twitter veröffentlichten Videos. Die oppositionellen Demokraten wiederum sehen unterdessen Anzeichen dafür, dass eine Mehrheit der US-Bevölkerung ein von ihnen angestrengtes Amtsenthebungsverfahren unterstützen würde.

In seiner Videobotschaft donnerte Trump, dass die Demokraten ihn nur loswerden wollten, weil er für die Interessen seiner Wähler kämpfe: „Sie wollen Euch Eure Waffen wegnehmen, sie wollen Euch Eure Gesundheitsversorgung wegnehmen, sie wollen Eure Stimmen wegnehmen, sie wollen Eure Freiheit wegnehmen. Wir dürfen das nicht zulassen. Unser Land steht wie niemals zuvor auf dem Spiel“, verknüpfte Trump wieder einmal sein eigenes Schicksal mit dem des ganzen Landes.
Trump sprach auch vom „größten Betrug in der Geschichte der amerikanischen Politik“. Doch das Vorgehen der Demokraten sei sehr einfach zu durchschauen: „Sie versuchen, mich zu stoppen, weil ich für Euch kämpfe.“ Aber er werde sich nicht stoppen lassen. Trump schoss sich auch auf den demokratischen Abgeordneten Adam Schiff ein, der die Untersuchungen zu einem möglichen Amtsenthebungsverfahren (Impeachment) im Repräsentantenhaus leitet. Schiff habe ihn wiederholt diffamiert, deshalb müsse er aus dem Kongress ausscheiden.

Auslöser der jüngsten innenpolitischen Krise ist das Telefonat Trumps mit Selenskij, in dem der US-Präsident den ukrainischen Staatschef aufforderte, Ermittlungen gegen den demokratischen Präsidentschaftsbewerber Joe Biden und dessen Sohn Hunter wegen möglicher korrupter Machenschaften einzuleiten; Trump verknüpfte das auch noch mit US-Militärhilfe für die Ukraine.

Auch Joe Biden im Zwielicht

Mittlerweile schadet die Affäre aber nicht nur Trump, sondern auch dem Präsidentschaftskandidaten Biden, dessen vielfache Interventionen in Kiew während dessen Amtszeit als US-Vizepräsident nun ans Licht kommen. So soll er bei der politischen Führung der Ukraine interveniert haben, den Oligarchen Dmitri Firtasch ja nicht einreisen zu lassen. Firtasch befindet sich nach wie vor in Wien, wo er einen Wiederaufnahmeantrag gegen seine bereits beschlossene Auslieferung in die USA eingebracht hat. Und auch das US-Außenamt und dessen mit der Ukraine-Politik befasste Diplomaten geraten ins Zwielicht.

Die demokratische Präsidentin des Repräsentantenhauses, Nancy Pelosi, die lange Zeit zurückhaltend auf Forderungen nach einem Impeachment gegen Trump reagierte, glaubt nun, dass sich in der öffentlichen Meinung der Wind gedreht hat. Laut jüngsten Umfragen spricht sich eine Mehrheit der US-Bevölkerung für die Einleitung eines Amtsenthebungsverfahrens aus (49 zu 46 Prozent; 93 Prozent der republikanischen Wähler sind dagegen). „In der Öffentlichkeit gibt es einen Stimmungswandel“, erklärte Pelosi bei einer Veranstaltung in Austin/Texas. „Der Präsident der USA wollte Militärhilfe, für die der Steuerzahler aufkommt, zurückhalten, um den Führer eines anderes Landes unter Druck zu setzen, wenn ihm dieser nicht einen politischen Gefallen tut. Das ist so eindeutig.“

Inzwischen soll es im Repräsentantenhaus eine ausreichende Mehrheit für die Einleitung eines Impeachmentverfahrens geben. Die Entscheidung über eine Amtsenthebung fällt aber nicht im Repräsentantenhaus, sondern im Senat – und dort haben die Republikaner die Mehrheit. Die Aussichten auf ein erfolgreiches Verfahren sind derzeit also eher gering.

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