Zweiter Versuch: Ungarn nominiert EU-Botschafter als Kommissar

Ursula von der Leyen muss in Ungarn und Rumänien um neue Namen bitten.
Ursula von der Leyen muss in Ungarn und Rumänien um neue Namen bitten.imago images / Belga
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Der Rechtsausschuss des EU-Parlaments blockiert endgültig die Kommissions-Kandidaten Plumb aus Rumänien und Trócsányi aus Ungarn. Ursula von der Leyen bat um neue Namen.

Das EU-Parlament bleibt dabei: Der zuständige Rechtsausschuss befand die Kommissarsanwärter aus Rumänien und Ungarn als für die künftige EU-Kommission "ungeeignet". Die Abgeordneten stimmten am Montag zum zweiten Mal gegen die Bestellung der Rumänin Rovana Plumb und des Ungarn László Trócsányi. Bereits am Donnerstag hatten die Abgeordneten finanzielle Interessenskonflikte festgestellt.

Die künftige EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen hat bereits reagiert: Sie bat Ungarn und Rumänien um neue Kandidaten-Vorschläge. Ungarn präsentierte bereits einen neuen Namen: Olivér Várhelyi, bisher Botschafter Ungarns bei der EU, soll übernehmen. Der 47-jährige Várhelyi vertritt bisher als "ständiger Vertreter" die Interessen seines Landes bei der EU und gilt als Brüssel-Insider. Er war zwischen 2011 und 2015 schon stellvertretender EU-Botschafter und von 2008 bis 2011 Abteilungsleiter in der EU-Kommission für gewerbliche Eigentumsrechte. Zuvor arbeitete der studierte Jurist im ungarischen Justizministerium in der Abteilung für Europarecht.

Auch mit Rumänien soll von der Leyen bereits Gespräche geführt haben. Ihr Sprecher wollte nicht spekulieren, ob der Streit den Starttermin der Kommission am 1. November hinauszögern könnte. Das Verfahren liege in der Hand des Parlaments.

Zu viele Fragezeichen

Die rumänische Sozialdemokratin Plumb und der Fidesz-nahe Trócsányi konnten den Rechtsausschuss in einer Sonderanhörung nicht von ihren integren Vermögensverhältnissen überzeugen: Dem früheren Justizminister Trócsányi, der für das Erweiterungsressort vorgesehen war, wird eine mittlerweile zurückgefahrene Beteiligung an einer Anwaltsfirma angelastet, außerdem enge Kontakte zu Russland, seine Rolle beim Bau des AKW Paks II, überdies gibt es politische Vorbehalte gegen ihn wegen seiner Rolle bei den umstrittenen ungarischen Justizreformen. Die als Verkehrskommissarin nominierte Plumb konnte vor dem Rechtsausschuss weder einen ungeklärten Privatkredit zur Finanzierung ihres Wahlkampfes noch einen nicht angegebenen Bankkredit aufklären.

Trócsányi will gegen seine Ablehnung im Europaparlament vor Gericht ziehen. Er habe jetzt "keine Wahl", als sein Recht "vor dem zuständigen Justizgericht" zu suchen, erklärte der frühere ungarische Justizminister am Montag.

Plumb hat nach eigenen Angaben ihr strittiges 800.000-Lei-Darlehen (rund 170.000 Euro) getilgt, indem sie der Privatperson, von der sie das Geld geliehen hatte, "zwei Eigentumswohnungen überließ". Das teilte Plumb vor der Abstimmung dem Rechtsausschuss des EU-Parlaments am Montag in einem Schreiben mit.

Nur Stunden davor hatte die rumänische Regierungschefin Viorica Dăncilă (Postkommunisten/PSD) klargestellt, Plumb nach wie vor für den Topjob zu unterstützen: Die 59-Jährige sei "durch und durch professionell" und bestens geeignet, "ihren Beitrag zur Festigung des europäischen Projekts zu leisten", weswegen sie sie weiterhin "voll und ganz" unterstütze, teilte Dăncilă via Facebook mit.

Kritik von SPD

"Ich bedaure, dass wir diese Entscheidung überhaupt treffen mussten und Frau von der Leyen diese Kandidaten nicht von vornherein abgelehnt hat", sagte der SPD-Abgeordnete Tiemo Wölken. Diese mangelnde Durchsetzungsfähigkeit gegenüber den EU-Staaten lasse eine schwache EU-Kommission befürchten. Der Grünen Politiker Sergey Lagodinsky sagte: "Wir finden, dass die EU eine Kommission ohne Interessenkonflikte verdient. Dieser Verantwortung sind wir heute gerecht geworden."

Den Auftakt zu den Hearings, die bis 8. Oktober dauern, macht am Montagnachmittag der slowakische Kommissionsvize Maroš Šefčovič, bisher Vizepräsident für die Energieunion und künftig für die Beziehungen zu den andere EU-Institutionen zuständig. Die gesamte EU-Kommission muss vor ihrer Amtsübernahme vom EU-Parlament gebilligt werden. Das alles entscheidende Votum findet planmäßig am 23. Oktober statt. Am 1. November soll von der Leyens Team dann die Amtsgeschäfte der Juncker-Kommission übernehmen.

(APA/AFP/dpa)

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