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„Transparent“: Dieses Ende hat Maura nicht verdient

Gerade erst haben die Geschwister (Amy Landecker, Gaby Hoffmann, Jay Duplass) erfahren, dass Maura das Haus, in dem sie aufgewachsen sind, einer Freundin überlässt. Schon tanzen sie.
Gerade erst haben die Geschwister (Amy Landecker, Gaby Hoffmann, Jay Duplass) erfahren, dass Maura das Haus, in dem sie aufgewachsen sind, einer Freundin überlässt. Schon tanzen sie.(c) Amazon
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Jill Soloway hat bei „Transparent“ vier Staffeln lang viel gewagt – diesmal hat sie verloren. Das groß angekündigte Musicalfinale verrät ein Grundprinzip der Serie: Dass wir uns im anderen wiedererkennen können.

Eigentlich könnte das eine entzückende Szene sein: „Ein verrückter Mensch wie ich braucht einen verrückten Menschen wie dich“, trällern Josh und Raquel, sie haben sich wieder gefunden, sich und die Liebe, und tanzen vor Freude Ringelreihen. Doch das lässt uns kalt. Schlimmer: Es nervt. Warum nur? Zum einen, weil sich hier ein schiefer Ton an den anderen reiht, die Reime schief sind, der Text lieblos zusammengeschustert – absichtlich, aber dann wieder nicht absichtsvoll genug, als dass uns das Ungelenke, das Unfertige rühren könnte. Zum anderen, weil Jill Soloway, die statt einer ganzen fünften Staffel der Serie „Transparent“ auf Amazon Prime nur ein langes Musicalfinale gedreht hat, nicht genug Zeit hat, ihre Figuren zu entwickeln. Und gerade ihre Figuren, die kein Klischee bedienen, brauchen Zeit.

Vor allem aber, weil die Verrücktheit, die besungen wird, hier zur großen Tugend erhoben wird. Hauptsache, möglichst abgedreht, Hauptsache nicht normal. Fast panisch scheinen die Figuren in dieser Folge darauf zu pochen, dass jede von ihnen nun wirklich und tatsächlich ganz anders ist als alle anderen.

Maura im Krematorium

Und das ist wirklich schade. Nicht nur, weil eine grandiose Produktion einen denkbar schlechten Abschluss gefunden hat. Sondern weil Jill Soloway ein Grundprinzip der Serie verraten hat. Das hieß: Ich zeige euch eine andere Welt – und eine Sicht auf die Dinge, die sich von der euren unterscheidet. Und wetten: Ihr findet euch darin wieder.

Weil nämlich die Menschen sich ähnlicher sind, als sie oft glauben. Weil wir uns täuschen, wenn wir unsere Gefühle für einzigartig halten, die Konflikte, mit denen wir uns herumschlagen, für ungewöhnlich. Und das zeigte sich eben auch an dieser Geschichte rund um Mort Pfefferman, der spät aber doch seiner Frau und seinen Kindern eröffnet, dass er eigentlich eine Frau ist, eine Frau in einem Männerkörper. Aber diesen Mann will er nicht mehr spielen, das ist vorbei. Jetzt ist er Maura.
Was dann passierte, war typisch Familie. So schrill die Pfeffermans auch sein mochten: Jeffrey Tambor, Amy Landecker, Gaby Hoffmann, Jay Duplass und Co. spielten sie mit den nötigen Zwischentönen, fremd und doch vertraut. Das hätte man sich wohl auch für das Finale erwartet, das nach dem Tod Mauras spielt. Hauptdarsteller Jeffrey Tambor wurde nach Missbrauchsvorwürfen nämlich aus der Serie geschrieben.

Trauer – was für ein großes, was für ein alle Menschen verbindendes Thema! Doch die Pfeffermans agieren plötzlich nur noch seltsam. Sarah läuft im Pyjama auf der Straße herum. Ali, die bislang nicht durch besondere Gläubigkeit aufgefallen ist, möchte Rabbi werden, und Mutter Shelly schreibt ein Stück über ihr Leben. Sie findet dafür drei Schauspieler, die ihren Kindern verblüffend ähneln, und mit denen sie sich besser zu verstehen scheint als mit der eigenen Nachkommenschaft. Dazwischen gibt es jede Menge Songs, und am Ende wird während der Trauerfeier eine Bat-Mizwa gefeiert. „Völlig verrückt“, sagt die Rabbinerin und freut sich: „Verrückt!“ Mehr leider nicht.

Jill Soloway hat vier Staffeln viel gewagt, hat sogar die große Politik in die Welt der Unterhaltung gebeten und damit gewonnen.
Hier ist sie gescheitert.

Transparent: Musicalfinale, 1 Std. 42 min, seit 27. September auf Amazon Prime.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 01.10.2019)

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