Zum 70. Gründungstag der Volksrepublik präsentierte Chinas Armee eine Nuklearrakete, die in einer halben Stunde die USA erreichen kann. Doch die Proteste in Hongkong überschatten den Feiertag.
Mit der größten Waffenschau ihrer Geschichte hat die Volksrepublik China ihren 70. Gründungstag gefeiert. An der riesigen Militärparade am Dienstag am Platz des Himmlischen Friedens in Peking nahmen 15.000 Soldaten, mehr als 160 Flugzeuge und 580 Panzer und Waffensysteme teil. Erstmals zeigte Chinas Militär auch eine neue Interkontinentalrakete und einen Gleitflugkörper, der sich mit fünffacher Schallgeschwindigkeit bewegt.
Als ein Höhepunkt wurde am Ende der Waffenschau die Dong Feng 41 (Ostwind) präsentiert, die nach Expertenangaben mit bis zu zehn nuklearen Sprengköpfen bestückt in einer halben Stunde die USA erreichen kann. Sie zählt zu den mächtigsten Raketen in der Welt. Ihre Reichweite beträgt zwischen 12.000 und 15.000 Kilometer. Die Zahl der Sprengköpfe im chinesischen Nukleararsenal wird auf 290 geschätzt. Die USA hingegen verfügen über 6185 Atomsprengköpfe in ihrem Arsenal, so das Stockholmer Friedensforschungsinstitut (SIPRI).
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China will militärische Innovationsfähigkeit demonstrieren
Mit der Truppenschau will die kommunistische Führung nach Angaben von Experten militärische Stärke, ihren Machtanspruch und internationalen Gestaltungswillen demonstrieren. In einer schwarzen Limousine des Typs "Rote Flagge" stehend nahm Xi Jinping als Oberkommandierender die Truppen auf der Straße des Ewigen Friedens ab. "Es gibt keine Macht, die die Grundlagen dieser großen Nation erschüttern kann", sagte der Präsident in einer Rede zu Beginn der Zeremonie. "Keine Macht kann den Fortschritt des chinesischen Volkes und der Nation aufhalten." Er rief zur Einigkeit auf und versprach dem Milliardenvolk "noch mehr Wohlstand".
Mit seiner Reform- und Öffnungspolitik ist China seit den 80er Jahren zur zweitgrößten Volkswirtschaft nach den USA aufgestiegen. "Wir sind nicht mehr das arme China von vor 70 Jahren", sagte Zhu Lijia, Professor der Verwaltungshochschule. "China ist stark und reich geworden."
In Anlehnung an ein Zitat des "großen Steuermanns" Mao Zedong, der am 1. Oktober 1949 die Gründung der Volksrepublik ausgerufen hatte, lautete die Botschaft zum Feiertag: "Ohne die Kommunistische Partei gäbe es kein neues China." Es geht nach Angaben der Expertin Kristin Shi-Kupfer vom Berliner China-Institut Merics "um die Kampfbereitschaft der Kommunistischen Partei unter Xi Jinping". "Deswegen die Militärparade."
Proteste in Hongkong eskalieren
Innenpolitisch sei "eine ideologische Disziplinierung" gefordert, sagte Shi-Kupfer. Aus Sicht Pekings brauche es absolut ergebene Parteikader, die "zu allererst der Linie des Parteivorsitzenden folgen" und in der Lage seien, die "Kämpfe" des 21. Jahrhunderts zu führen. Dazu zählten das langsamere Wirtschaftswachstum und die Auseinandersetzung mit "feindlichen Kräften".
Doch die Feiern werden gleich von mehreren Krisen überschattet. Mit Blick auf die seit fünf Monaten anhaltenden Proteste in Hongkong forderte Xi Jinping "langfristige Stabilität" in der chinesischen Sonderverwaltungsregion. Er bekräftigte den Grundsatz "ein Land, zwei Systeme", nach dem die frühere britische Kronkolonie autonom regiert wird. Trotz eines Demonstrationsverbots und eines massiven Polizeiaufgebots ist es dort aber erneut zu Zusammenstößen gekommen.
Während Hunderte Regierungsvertreter hinter verschlossenen Türen einen Flaggenappell abhielten, versammelten sich auf den Straßen Tausende Anhänger der Demokratiebewegung, um ihrem Anliegen an dem für Peking hochsymbolischen Tag Nachdruck zu verleihen: Die Demonstranten fordern eine unabhängige Untersuchung von Polizeigewalt bei den seit fünf Monaten andauernden regierungs- und pekingkritischen Protesten, eine Amnestie für die mehr als 1500 bisher Festgenommenen, eine Rücknahme der Einstufung ihrer Proteste als "Aufruhr" sowie freie Wahlen.
Handelskrieg und massive Menschenrechtsverletzungen
Auch der Handelskrieg mit den USA, der das Wachstum in China und auch die globale Konjunktur bremst, setzt die chinesische Führung unter Druck. In China grassiert zudem die afrikanische Schweinegrippe und könnte die Hälfte des Bestandes dahinraffen. Auch steht China wegen der Inhaftierung von Uiguren in Umerziehungslagern in der Kritik.
"Massive Menschenrechtsverletzungen ziehen sich durch die Geschichte des modernen Chinas", sagte Hanno Schedler von der Gesellschaft für bedrohte Volker (GfbV) in Göttingen. Unter Xi Jinping hätten sie "einen neuen, traurigen Höhepunkt erreicht". Er setze auf "gnadenlose Verfolgung" von Uiguren und Tibetern, von Kasachen, Kirgisen und Mongolen, von Bürgerrechtsanwälten und Müttern der 1989 beim Tian'anmen-Massaker getöteten Demonstranten. "Die Kommunistische Partei setzt alles daran, kritische Stimmen auszuschalten."
(APA/dpa/Reuters/red.)