Tschechien: Mitte-rechts-Koalition wahrscheinlich

Prag, Karlsbr�cke, Prager Burg Hradschin und Moldau
Prag, Karlsbr�cke, Prager Burg Hradschin und Moldau(c) (Erwin Wodicka)
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Die Sozialdemokraten dürften mehr Stimmen bei der Parlamentswahl in Tschechien erhalten haben. Mehr Chancen für eine Regierungsbildung dürfte aber eine Mitte-rechts-Koalition unter Führung der Konservativen haben.

Nach der Auszählung von 25 Prozent der Wahllokale in Tschechien zeichnet sich zwar ein Sieg der Sozialdemokraten (CSSD) von Jiri Paroubek ab, allerdings wird dieser höchstwahrscheinlich nicht imstande sein, eine Regierung zu bilden. Mehr Chancen dafür haben die Mitte-Rechts-Parteien mit der konservativen Demokratischen Bürgerpartei (ODS) von Petr Necas an der Spitze.

Nach Angaben des Tschechischen Statistikamtes kann die CSSD mit 23,9 Prozent der Stimmen rechnen, während die ODS 18,3 Prozent erzielte. Die liberal-konservative TOP 09 von Karel Schwarzenberg lag bei 14,2 Prozent, die Kommunisten (KSCM) bei 13 Prozent und die eher rechtsgerichtete Partei Öffentliche Angelegenheiten (VV) 10,9 Prozent.

Die Christdemokraten (KDU-CSL) des ehemaligen Außenministers Cyril Svoboda und die Partei der Bürgerrechte (SPOZ) des früheren Premiers Milos Zeman lagen knapp unter der Fünfprozent-Hürde. Keine Chancen auf den Einzug ins Parlament haben die Grünen mit 1,8 Prozent. 

Mitte-rechts-Regierung möglich

Nach derzeitigem Stand wäre eine Mitte-Rechts-Regierung ODS/TOP09/VV möglich. Necas erklärte in einer ersten Reaktion, ein derartiges Wahlergebnis sei eine "große Herausforderung". Er sei froh, dass die meisten Wähler "nicht der populistischen Täuschung" der Linksparteien unterlegen wären. Es gebe eine große Chance, eine "Koalition der Budget-Verantwortung" zu bilden, die Tschechien so sehr brauche, sagte Necas unter Anspielung auf die sozialdemokratischen Wahlversprechen.

Der Vizechef von TOP 09 Miroslav Kalousek versicherte, seine Partei habe "großes Vertrauen erhalten, das wir nicht enttäuschen". Der Platz drei wäre ein "phänomenaler Erfolg", weil TOP 09 die Kommunisten vom Platz drei stürzen würde. TOP 09-Parteichef Schwarzenberg hatte im Wahlkampf eine Koalition mit Paroubeks Sozialdemokraten ausgeschlossen.

Sozialdemokraten enttäuscht

Enttäuschung war bei der CSSD zu spüren. Paroubek äußerte sich zu den ersten Prognosen zunächst nicht. Laut dem Vizechef der CSSD ist das Wahlergebnis "eine Überraschung für alle". Allerdings müsse man repräsentativere Hochrechnungen abwarten.

Der frühere TV-Enthüllungsjournalist Radek John (VV) sagte, er sei "sehr froh". Die Bürger hätten "gegen große Parteien gestimmt".

Gut ein Jahr nach der Amtsübernahme einer Übergangsregierung waren rund acht Millionen Tschechen am Freitag und Samstag aufgerufen, ein neues Parlament zu wählen. 26 Parteien bewarben sich um die 200 Sitze im Abgeordnetenhaus. Im März 2009, mitten in der tschechischen EU-Ratspräsidentschaft, war die Regierung des Konservativen Mirek Topolanek durch ein Misstrauensvotum gestürzt worden. Danach übernahm der parteilose Jan Fischer die Regierungsgeschäfte.

Präsident pocht auf Wahlgeheimnis

Die Spitzenpolitiker haben bereits am Freitag, meist in Prag, gewählt. Der Staatspräsident Vaclav Klaus erklärte dabei nicht, für welche Partei er gestimmt hat. Nicht einmal seine Ehefrau Livia wusste es, wie sie vor Journalisten bestätigte. Seit 2008 ist Klaus nicht mehr Mitglied der ODS, die er 1991 gegründet hatte. Bei der Stimmabgabe sagte Klaus, die jetzigen Wahlen seien dadurch außerordentlich, dass sie den längsten Wahlkampf in der Geschichte des Landes, der die politische Szene "destabilisiert" habe, beendet hätten.

Nicht einmal der parteilose Premier Jan Fischer wollte sagen, für wen er votiert hat. Er deutete nur an, dass er die Partei "nach dem Programm, deren Prinzipien und dem Verhalten ihrer Vertreter" gewählt habe.

Havel wählte grün

Der ehemalige Staatspräsident Vaclav Havel bestätigte, dass er jene Partei gewählt habe, die er bereits vor den Wahlen befürwortet habe. Zuvor hatte er öffentlich die Grünen unterstützt. Bei der Stimmabgabe äußerte Havel den Wunsch, dass eine stabile Regierung entstehen sollte, die sich nicht nur auf eine knappe Mehrheit werde stützen müssen.

Der Chef der Sozialdemokraten (CSSD), Jiri Paroubek wählte im nordböhmischen Teplice (Teplitz), wo er an der Spitze der dortigen regionalen CSSD-Liste kandidiert.

Gerüchte über Stimmenkauf

Im nordmährischen Ostrava (Mährisch-Ostrau) wurden die Wahlen durch Gerüchte über angebliche Stimmenkäufe überschattet. Dutzende Roma hätten die CSSD gewählt, weil ihnen jemand dafür pro Kopf 100 Kronen (3,92 Euro) angeboten habe, hieß es. Die CSSD wies jegliche Verwicklung darin strikt ab und bezeichnete dies als eine "Provokation".

(Ag./Red)

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