Berichte: London will Lösung für Irland-Frage vorlegen

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Die Regierung von Premier Johnson will Zollabfertigungen an beiden Seiten der Grenze als Alternative zum Backstop vorschlagen, um den Knackpunkt im Brexit-Streit zu lösen.

Großbritannien will einem Medienbericht zufolge eine Lösung für den zentralen Brexit-Streit - die Gestaltung der Grenze zwischen Irland und dem britischen Nordirland - vorschlagen. Demnach sollen nach dem Ausscheiden Großbritanniens aus der EU beiderseits der Grenze in Entfernungen zwischen acht und 16 Kilometern Zentren zur Zollabfertigung eingerichtet werden, berichtete der irische Sender RTE Montagabend.

Dies gehe aus Unterlagen hervor, die von der Regierung unter Premier Boris Johnson in London nach Brüssel gesandt worden seien, so der Sender. Der Vorschlag solle demnach den sogenannten Backstop ersetzen. Denn derzeit finden keine Kontrollen zwischen den beiden Teilen Irlands statt. Das soll nach dem Willen Dublins und Brüssels auch nach dem Brexit so bleiben, weil sonst ein Wiederaufflammen des Nordirland-Konflikts befürchtet wird. In dem jahrzehntelangen Bürgerkrieg standen sich überwiegend katholische Befürworter einer Vereinigung Irlands und überwiegend protestantische Großbritannien-Loyalisten gegenüber. Oft waren Grenzeinrichtungen das Ziel von Angriffen paramilitärischer Einheiten.

Der Backstop sieht vor, dass Großbritannien solange die gemeinsamen Außenzölle der EU und bestimmte Regeln des Binnenmarkts anwendet, bis eine andere Lösung gefunden ist. Warenkontrollen wären damit weiterhin überflüssig. Das lehnen viele Brexit-Befürworter aber vehement ab, weil London dann keine Freihandelsabkommen mit Drittstaaten wie den USA abschließen könnte. Das gilt für viele aber als einer der Hauptgründe für den EU-Ausstieg.

Irland erteilte Plänen eine Absage

Aus britischen Regierungskreisen verlautete am Montag, die Vorschläge sollten noch diese Woche präsentiert werden. Die Zeitung "The Telegraph" berichtete dagegen, Johnson würde die Pläne bereits am Dienstag vorstellen. Demnach soll die gesamte irische Insel zu einer Wirtschaftszone gemacht werden, in der Nahrungsmittel und Agrarprodukte von Grenzkontrollen ausgenommen sein sollen.

Irlands Außenminister Simon Coveney erteilte den Vorschlägen per Twitter umgehend eine Absage. "Es wird Zeit, dass die EU einen ernsthaften Vorschlag von der britischen Regierung erhält, wenn noch ein Brexit-Deal im Oktober erreichbar sein soll", schrieb er.

Sollte der Vorschlag Johnsons tatsächlich den Berichten entsprechen, dürfte das als Zeichen gewertet werden, dass der Premier nicht an einem Abkommen mit der EU interessiert ist. Ohnehin deutet einiges darauf hin, dass er sich im Brexit-Streit vor allem aus taktischen Gründen im Hinblick auf eine baldige Neuwahl als Hardliner präsentiert.

Johnson hat versprochen, Großbritannien mit oder ohne Scheidungsabkommen am 31. Oktober aus der EU herauszuführen. Eine Hürde ist aber ein vom Parlament verabschiedetes Gesetz. Es sieht vor, dass die Regierung eine Verschiebung des Austrittstermins beantragen muss, sollte bis Mitte Oktober kein Abkommen mit der EU erzielt sein.

Missbrauchsvorwurf überschattet Parteitag

Mit Spannung wird der Auftritt Johnson zum Abschluss des Tory-Parteitags am Mittwoch erwartet. Die Parteikonferenz war größtenteils überschattet von Vorwürfen gegen den Premierminister. Mehrere Abgeordnete hatten kürzlich Johnson aufgefordert, seine "Kriegsrhetorik" zu unterlassen, um nicht noch mehr Aggressionen zu schüren. Der Premier zeigte sich von der Kritik an seiner Wortwahl jedoch unbeeindruckt. Würde man Wörter wie "Kapitulation" aus dem politischen Diskurs verbannen, drohe die Sprache zu verarmen, sagte Johnson.

Schlagzeilen machte ein angeblicher sexueller Übergriff Johnsons auf eine Journalistin. Der damalige Chefredakteur des Magazins "Spectator" habe ihr vor etwa 20 Jahren bei einem gemeinsamen Mittagessen die Hand auf den Oberschenkel gelegt, schrieb die "Sunday-Times"-Kolumnistin Charlotte Edwardes. Johnson wies die Anschuldigung vehement zurück.

Auch den Vorwurf des Amtsmissbrauchs aus seiner Zeit als Londoner Bürgermeister konnte Johnson bisher nicht abschütteln. Er habe nichts zu erklären gehabt, sagte er auf die Frage des BBC-Moderators Andrew Marr am Sonntag, ob er seine Freundschaft zu der US-Geschäftsfrau Jennifer Arcuri angegeben hatte, als diese Fördergelder von der Stadt London erhielt. Die Stadtverwaltung hatte den Fall zur Prüfung an die Polizeiaufsicht weitergeleitet. Sie soll nun entscheiden, ob ermittelt wird.

(APA/Reuters)

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