Kritik

Edwyn Collins: Lieder eines Unbeugsamen

Edwyn Collins (Archivbild).
Edwyn Collins (Archivbild).(c) imago images / UIG (imago stock&people)
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Edwyn Collins konzertierte in Hochform im Wiener WUK.

„Cheers my dears“, so grüßte der 60-jährige Edwyn Collins die schon länger dienende Jugend. Darunter auch Humorzeichner und Schriftsteller Tex Rubinowitz. Er hatte sich gut auf das Hochamt vorbereitet: Aus der Gesäßtasche blitzte ein Kamm, den ihm einst Collins-Mitstreiter Dennis Bovell geschenkt hatte. Dazu trug er ein Vintage-T-Shirt mit dem Cover von „Don't Shilly Shally“. Dieses Textils, das Rubinowitz seit 1987 bewahrt und nur zu speziellen Gelegenheiten anlegt, hätte es gar nicht bedurft. Collins, der vom Schicksal gebeutelte Meister aus Edinburgh, hatte den Song ohnehin im Repertoire. „Shilly Shally“, also „im Zwiespalt“, „im Wiglwagl“, wie der Wiener sagt, war Collins nie. Auch in seinen finstersten Momenten war er stets „dedicated“. Selbst zwei Schlaganfälle konnten seine Kreativität nicht stilllegen. Kürzlich hat Collins „Badbea“ veröffentlicht, sein bestes Album seit seinem Comeback 2010. Doch im WUK, mit einer großartigen Band, u. a. mit dem einstigen Dexys-Midnight-Runners-Mitglied Sean Read, begann er mit einer stürmischen Lesart von „Dying Day“ von seinem allerersten Album. Er saß auf einem Barhocker und gab dennoch die Impulse, als Taktstock diente ihm der neben ihm ruhende Gehstock. Seine sarkastischen Ansagen waren infolge einer Sprechstörung durch die Schlaganfälle schwerer verständlich als der Gesang, der auf wundersame Weise flüssig war. Rasch glühte die Fuzzbox, dieses kleine Gerät, das Gitarren so kunstvoll verzerrt. „Die Gitarren sind à la Buzzcocks, meine Stimme wie die von Iggy Pop“, meinte Collins knapp über das neue Stück „Outside“. Stimmt.

„I Guess I'm Just A Little Too Sensitive“ charmierte mit Funk-Loops, „I Guess We Were Young“ mit wehmütigen Trompetenklängen.

orhersehbares Kreisch-Highlight war „A Girl Like You“. Nie zuvor wurde es mit so einer scharfen Gitarre gespielt. Der magere Barrie Cadogan trug äußerst fett auf. Der Zugabenblock war für Schmankerln reserviert. Darunter das programmatische „Falling and Laughing“, das Collins Kämpfermentalität so trefflich fasst. Und natürlich das fast vergessene „Blue Boy“. Kurz: ein schönes Klassentreffen, bei dem sich Novität und Nostalgie die Waage hielten.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 02.10.2019)

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