Phänomen

US-Banken trotz Geldflut knapp bei Kasse

APA/dpa-Zentralbild/Arno Burgi
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Die US-Notenbank Fed versorgt Banken mit Milliardensummen, weil ihnen Mittel für das Tagesgeschäft fehlen. Das Phänomen weckt Erinnerungen an die weltweite Finanzkrise 2007/08.

Es dürfte einer der merkwürdigsten Vorgänge in der jüngeren Finanzgeschichte sein: Obwohl amerikanische Banken noch immer in Zentralbankgeld schwimmen, scheint ihnen die Abwicklung alltäglicher Geschäfte Probleme zu bereiten. Das geht so weit, dass einer der wichtigsten Finanzmärkte der Welt, der US-Interbankenmarkt, nicht mehr ordnungsgemäß funktioniert.

Das Phänomen weckt schlimme Erinnerungen an die weltweite Finanzkrise vor gut einer Dekade. Der Interbanken- oder Geldmarkt ist eine Einrichtung, die der breiten Öffentlichkeit in aller Regel verborgen bleibt. Kein Wunder, handelt es sich doch um einen sehr speziellen Markt, auf dem sich Banken Finanzmittel für ihr tägliches Geschäft besorgen. Das funktioniert normalerweise absolut reibungslos. Doch vor rund zehn Jahren hatten die Geldhäuser plötzlich das Vertrauen zueinander verloren. Es war am Vorabend der globalen Finanzkrise: Aufgrund immer höherer Ausfälle am amerikanischen Hypothekenmarkt weigerten sich die Institute, sich gegenseitig Geld zu leihen. Die anschließende Krise brachte die Finanzwelt an den Rand der Kernschmelze.

Heute, mehr als ein Jahrzehnt später, scheint sich am US-Bankenmarkt Ähnliches abzuspielen: Die Banken kommen nicht mehr an täglich benötigte Finanzmittel, was die Zinsen für kurzfristige Liquidität unlängst nach oben schießen ließ. Wie in der Finanzkrise muss die US-Notenbank Federal Reserve aushelfen, sie versorgt die Banken mit den benötigten Finanzmitteln. Täglich fließen hohe zweistellige Milliardenbeträge. Rund zwei Wochen sind seit dem ersten Noteinsatz vergangen, und die Fed scheint die Lage unter Kontrolle zu haben. Doch warum gibt es wieder solche Spannungen auf einem der wichtigsten Märkte der Welt?

Oberflächlich scheint die Problematik relativ einfach erklärbar zu sein, die Antworten werfen aber neue Fragen auf. Fachleute und die Fed erklären die plötzlichen Liquiditätsengpässe zum einen mit ungewöhnlich hohen Steuerzahlungen der US-Unternehmen. Dieser entsprechend hohe Finanzbedarf schlägt umgehend auf die Banken durch, weil sich die Firmen dort das benötigte Geld besorgen, um ihre Steuern zu tilgen.

Eine zweite Erklärung zielt auf den erhöhten Finanzbedarf aufseiten der Banken selbst ab. Hintergrund ist demnach die rapide steigende Staatsverschuldung: Weil die USA zurzeit besonders viel Kredit aufnehmen und entsprechend viele neue Staatsanleihen auf den Markt werfen, greifen die amerikanischen Banken besonders kräftig zu. Schließlich gehören die Banken in den Vereinigten Staaten, wie auch in Europa, zu den größten Finanzierern von Staatsausgaben.

Es bleiben Fragen

So plausibel beide Erklärungen erscheinen mögen, es bleiben Fragen. Eine lautet: Wie können die US-Banken ein Liquiditätsproblem haben, wenn sie doch zugleich in Zentralbankgeld von mehr als einer Billion Dollar schwimmen? Eine Antwort: Weil die Reserven in den letzten Jahren deutlich gefallen sind. Zurzeit betragen die Bankreserven in etwa 1,3 Billionen Dollar (1,2 Bill. Euro). Das ist zwar immer noch wesentlich mehr als vor der Finanzkrise 2008. Vor einigen Jahren aber betrugen die Überschussreserven noch etwa 2,5 Billionen Dollar.

Der Grund, warum der Überschuss an Zentralbankgeld so stark gefallen ist, liegt in der Geldpolitik. So hat die Fed ihre immer noch riesigen Bestände an US-Staatsanleihen, die sie in der Finanzkrise zur Stützung der Wirtschaft gekauft hatte, in den vergangenen Jahren spürbar abgebaut. Mit anderen Worten: Die Geldpolitik wurde auf Kosten der Bankreserven ein Stück weit gestrafft.

Ein anderer Grund steht ebenfalls mit der Finanzkrise in Verbindung: Eine Lehre aus der Krise war, die staatliche Aufsicht über die Geldhäuser deutlich zu verschärfen. So müssen die Banken etwa wesentlich mehr Eigenkapital vorhalten als vor der Finanzkrise. Das soll sie krisenfester machen, erhöht aber zugleich den Finanzbedarf der Geldhäuser und schwächt ihre Möglichkeiten, anderen Instituten am Interbankenmarkt kurzfristigen Kredit anzubieten.

Zwei Lösungsansätze

Zur Lösung derartiger Liquiditätsprobleme schlagen Fachleute zwei Ansätze vor: weniger Regulierung oder mehr Zentralbankgeld. Die Deregulierung gilt dabei als langwieriges und umstrittenes Thema. Denn die Deregulierung der US-Banken in den 1990er-Jahren gilt als ein wesentlicher Grund für das Entstehen der Finanzkrise. Mehr Zentralbankgeld scheint dagegen eine schnelle und unkomplizierte Lösung zu sein. Schließlich kann es die Notenbank einfach drucken und in Verkehr bringen, etwa über neue Wertpapierkäufe.

Eine neue Geldschwemme aber wirft das vielleicht wichtigste Problem auf: So fragen sich Fachleute, wie gesund ein Bankensystem ist, das selbst ein Jahrzehnt nach seiner schwersten Krise immer noch Geldüberschuss in Billionenhöhe benötigt und dennoch nicht reibungslos funktioniert. Und was das für die nächste Krise bedeutet.

(APA/dpa-AFX)

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