Brexit

Johnson will EU "endgültiges Angebot" machen

Der britischer Premier Boris Johnson will Großbritannien am 31. Oktober aus der EU führen.
Der britischer Premier Boris Johnson will Großbritannien am 31. Oktober aus der EU führen.APA/AFP/POOL/STEFAN ROUSSEAU
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Der britische Premier will am Parteitag der Konservativen eine Lösung für den Streit um die künftige irische Grenze präsentieren. Die EU wird damit wohl nicht zufrieden sein.

Schafft der britische Premier Boris Johnson doch noch eine Einigung mit Brüssel auszuverhandeln, um den Brexit wie versprochen am 31. Oktober zu vollziehen? Am Mittwoch will der Chef der Konservativen seine Pläne am Parteitag der Tories vorlegen und der EU-Spitze ein „endgültiges Angebot“ für ein neues Abkommen vorlegen. Der Knackpunkt bleibt weiterhin der Streit um die künftige Grenze zwischen dem britischen Nordirland und dem EU-Mitglied Irland.

Und laut einem Bericht des „Telegraph“ wird Johnson weitgehende Zugeständnisse aus Brüssel fordern: Wenn die Kommission nicht zu Gesprächen über den neuen Vorschlag bereit sei, werde die Regierung die Verhandlungen einstellen und es werde zu einem ungeregelten Brexit kommen, hieß es.

Laut "Daily Telegraph" sieht der neue Plan von Johnson vor, die britische Provinz zunächst in einem besonderen Verhältnis zu Europa zu belassen. Demnach würde Nordirland bis mindestens 2025 in weiten Teilen im EU-Binnenmarkt verbleiben, die Provinz aber zusammen mit dem Rest des Vereinigten Königreichs die EU-Zollunion verlassen.

EU und Dublin wollen gar keine Grenzkontrollen

Im Hinblick auf Produktstandards soll sich Nordirland bis 2025 an EU-Regeln halten. So lange wären zwar auch zwischen Häfen in Nordirland und dem Rest des Vereinigten Königreichs Kontrollen nötig - die dafür an der inneririschen Grenze vermieden werden könnten. Nach Ablauf der Frist soll dem Plan zufolge das nordirische Regionalparlament entscheiden, ob der Landesteil sich weiter an der EU oder an Großbritannien ausrichten will.

Dublin und Brüssel, die darauf pochen, dass es gar keine Grenzkontrollen zwischen den beiden Teilen Irlands geben darf, dürften den Plan mit äußerster Skepsis betrachten.

Bisher muss an der irisch-nordirischen Grenze nicht kontrolliert werden, weil auf beiden Seiten dieselben Regeln für Zölle und Produktstandards gelten. Befürchten wird aber, dass die Einführung von Kontrollen die Spannungen aus der Zeit des Nordirland-Konflikts zurückbringen könnte. In dem jahrzehntelangen Bürgerkrieg standen sich mehrheitlich katholische Befürworter einer irischen Vereinigung und überwiegend protestantische Großbritannien Loyalisten gegenüber.

Backstop würde Freihandelsabkommen unmöglich machen

APA/AFP/PAUL FAITH

Bisher war vorgesehen, dass eine offene Grenze in Irland durch die als Backstop bezeichnete Garantieklausel im Austrittsabkommen geschützt wird. Der Backstop sieht vor, dass Großbritannien solange die gemeinsamen Außenzölle der EU und teilweise Regeln des Binnenmarkts anwendet, bis eine andere Lösung gefunden ist. Das lehnt Johnson aber vehement ab, weil London dann keine Freihandelsabkommen mit Drittstaaten wie den USA abschließen könnte.

Notfalls ist der Premier auch zu einem EU-Austritt ohne Abkommen bereit. Zu erwartende Schäden für die Wirtschaft und viele andere Lebensbereiche will er in Kauf nehmen, hält die Befürchtungen aber für übertrieben.

Parteitag überschattet von Skandalen

Die viertägige Parteikonferenz war größtenteils überschattet von Vorwürfen gegen den Premierminister. Die Regierung kündigte aber auch milliardenschwere Investitionen unter anderem in Verkehrsprojekte, den Bau von Krankenhäusern, den nationalen Gesundheitsdienst und die Polizei an. Gewertet wird das vor allem als Positionierung für einen baldigen Wahlkampf. Mit einer Neuwahl in Großbritannien wird schon in den kommenden Monaten gerechnet.

Johnson war unter anderem für seine Wortwahl in die Kritik geraten. Begriffe wie "Kapitulation", "Verrat" und "Kollaborateure" seien dazu geeignet, Drohungen und möglicherweise auch Gewalt zu schüren, hielten ihm Abgeordnete vor. Johnson gab sich aber unbeeindruckt und warnte vor einer "Verarmung der Sprache", wenn militärische Begriffe aus dem politischen Diskurs verbannt würden.

Auch den Vorwurf einer Journalistin, Johnson habe sie vor rund 20 Jahren begrapscht, wies er zurück. Das sei "nicht wahr", sagte der Premier und deutete an, die Anschuldigung könnte politisch motiviert sein, um ihn daran zu hindern, den EU-Austritt durchzuziehen. Ebenfalls als falsch bezeichnete Johnson Behauptungen, er habe sich in seiner Zeit als Londoner Bürgermeister des Amtsmissbrauchs schuldig gemacht. Den Vorwürfen zufolge hatte er eine Liebesbeziehung zu der amerikanischen Geschäftsfrau Jennifer Arcuri, die zur gleichen Zeit Fördergelder aus der Kasse der Stadt erhielt und an Reisen teilnahm, ohne dass sie die Bedingungen dafür erfüllte.

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