Leichtathletik-WM

Champions aus dem Schattenreich

Die Galavorstellung des 22-jährigen US-Amerikaners Donavan Brazier (r.) über 800 m warf Fragen auf.
Die Galavorstellung des 22-jährigen US-Amerikaners Donavan Brazier (r.) über 800 m warf Fragen auf. APA/AFP/JEWEL SAMAD
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Mit der Doping-Sperre von US-Trainer Alberto Salazar steht das umstrittene Nike Oregon Project wieder im Rampenlicht. Auch der Sportartikelhersteller hat Erklärungsnot.

Wien/Doha. Zwei frischgebackene Weltmeister müssen sich dieser Tage unangenehme Fragen anhören. Am Samstag rannte Sifan Hassan (NED) in Doha über 10.000 Meter zu Gold, am Dienstagabend gewann Donovan Brazier (USA) überlegen das 800-Meter-Finale. Beide sind Athleten des Nike Oregon Projects (NOP), eines Elite-Trainingszentrums im US-Bundesstaat Oregon, unweit vom Firmensitz des Sportartikelherstellers.

Chefcoach und Mitgründer des NOP ist der 61-jährige Ex-Marathonläufer Alberto Salazar. Am Dienstag, also während der WM in Doha, wurde Salazar wegen Verstößen gegen die Anti-Doping-Regeln für vier Jahre gesperrt. Er darf keine Athleten mehr betreuen.

Gegründet wurde das NOP 2001, um die Afrikaner auf der Lang- und Mittelstrecke mit modernsten Methoden (die Wohnhäuser sind zugleich Höhenkammern) abzufangen. Der Durchbruch gelang 2012, Mo Farah gewann vor Galen Rupp Olympia-Gold über 10.000 Meter, beide waren Schützlinge von Salazar.

Nun erhebt die US-Anti-Doping-Agentur (Usada) folgende Vorwürfe gegen den US-Trainer: Anwendung von verbotenen Infusionen, Besitz und illegaler Handel mit Testosteron, die Vertuschung von Daten im Zusammenhang mit Dopingkontrollen. „Die Athleten waren Versuchstiere“, erklärte Usada-Chef Travis Tygart.

Allerdings: Keiner der WM-Teilnehmer in Doha ist in den Fall Salazar verwickelt, wie Tygart mitteilte. „Wir hatten Aussagen von zehn anderen Sportlern, die im NOP von 2010 bis 2014 dabei waren. Alle haben uns ihre medizinischen Auswertungen zur Verfügung gestellt.“ Die Doha-Champions Hassan und Brazier betonten ebenfalls, dass die Ermittlungen vor ihrem Beitritt zum NOP ansetzen würden. „Ich war noch in der High School“, meinte 800-Meter-Star Brazier. Der vierfache britische Olympiasieger Mo Farah distanzierte sich von Ex-Coach Salazar. „Ich habe das NOP 2017 verlassen, aber ich toleriere niemanden, der die Regeln bricht.“

Salazar selbst wird auf der NOP-Website zitiert: „Das Oregon Project hat Doping nie erlaubt und wird Doping nie erlauben.“

Tatsächlich wurde kein NOP-Athlet positiv getestet. Ihre Leistungen werden nun aber kritischer denn je beäugt. Ein Beispiel ist die deutsche Läuferin Konstanze Klosterhalfen, seit April NOP-Mitglied. Aber nicht erst seit Salazars Sperre rätselt man über die Leistungssteigerung der 22-Jährigen, die zuletzt sechs deutsche Rekorde aufstellte.

Indes hat sich auch Nike eingeschaltet. Salazar will gegen seine Sperre berufen, Nike unterstützt ihn. In keiner Weise dulde man die Anwendung verbotener Substanzen, heißt es in einer Mitteilung.

Nike-Manager sollen jedoch längst von Salazars Experimenten gewusst haben. Das berichtet das „Wall Street Journal“. Auch „Der Spiegel“ berichtete, wie Salazar 2011 Nike-Chefs über Fortschritte mit einer nicht verbotenen Nahrungsergänzung unterrichtet hatte. Salazars damaliger Schützling war der (später lebenslang gesperrte) Ex-Radprofi Lance Armstrong.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 03.10.2019)

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