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Salzburg-Leitung wird schon gebaut

The sun rises behind pylons of high voltage electricity power lines in Halle
The sun rises behind pylons of high voltage electricity power lines in HalleREUTERS
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Obwohl noch sieben Beschwerden beim Höchstgericht anhängig sind, beginnt die APG den Bau der strittigen Hochspannungsleitung. Nur so bringe man genug Strom von West nach Ost.

Wien. 13 Jahre nach Projektstart ist es so weit: Die heftig umstrittene Salzburg-Leitung wird gebaut. Die ersten Bäume sind gefällt, die ersten Masten für die 380-KV-Leitung werden im Frühjahr errichtet. Das 800 Millionen Euro schwere Projekt des heimischen Netzbetreibers APG gilt unter Experten seit Jahren als absolute Notwendigkeit, um die Stabilität des Stromnetzes langfristig sichern zu können. Dennoch ist der plötzliche Baustart heikel.

Offiziell ist das Verfahren nämlich gar nicht beendet. Sieben Beschwerden gegen die Salzburg-Leitung sind beim Verwaltungsgerichtshof anhängig. Doch die APG prescht vor und schafft Fakten. „Wir können nicht weiter warten“, argumentiert APG-Vorstand Gerhard Christiner. „das betriebliche Risiko ist zu groß“. Man habe die Gefahren „in Absprache mit der Regulierungsbehörde abschätzen lassen“, ergänzt Vorstandskollege Thomas Karall. Letztlich sei das Risiko für die Versorgungssicherheit des Landes deutlich höher bewertet worden, als das Risiko, das Verfahren noch zu verlieren.

133 Millionen Euro für Nothilfe

Die Salzburg-Leitung gilt als Grundvoraussetzung für den Umbau des heimischen Energiesystems auf erneuerbare Energieträger. Denn Österreich produziert zwar viel grünen Strom, aber leider oft zur falschen Zeit und am falschen Ort. Die größte Nachfrage gibt es rund um die Ballungszentren im Osten des Landes. Lässt die Ökostrom-Produktion hier jedoch aus, steht das System rasch an der Kippe. Zwar warten im Westen Österreichs randvolle Pumpspeicher. „Aber wir können keine Energie vom Westen in den Osten bringen, weil uns die Leitung fehlt“, sagt Christiner. Stattdessen lässt die APG in diesen Momenten um viel Geld fossile Kraftwerke im Osten anwerfen, damit diese den Bedarf decken. Die Kosten für dieses Engpassmanagement steigen enorm.
Wurden im Jahr 2014 lediglich 4,5 Millionen Euro für solche Notmaßnahmen ausgegeben, so summeriten sich die Kosten im Vorjahr bereits auf 117 Millionen Euro. Heuer schlagen die Eingriffe bis Ende September mit 133 Millionen Euro zu Buche. Tendenz steigend.
Das bekommen auch die heimischen Stromkunden zu spüren. Die Netzkosten stiegen zuletzt um rund 80 Prozent an. Und das könnte noch lange nicht das Ende sein. Denn um den angestrebten Systemwechsel zu schaffen, muss das Netz an vielen Stellen aufgerüstet werden.

Netzkosten werden steigen

In den kommenden zehn Jahren plant die APG mit Investitionskosten von 2,5 Milliarden Euro. Neben der Salzburg-Leitung müsse etwa auch das Stromnetz rund um Linz (und vor allem um die Linzer Voestalpine) erneuert werden, um die Versorgung der Industriebetriebe zu sichern. Die jährlichen Investitionen steigen dadurch von heute 120 auf 300 Millionen Euro. Das werde sich bei den Netzgebühren bemerkbar machen, bestätigten die APG-Vorstände der „Presse“.

Von der kommenden Bundesregierung wünschen sie sich vor allem mehr Rückendeckung für den Netzausbau. Bei manchen Projekten habe das ganz hervorragend funktioniert. Ein Paradebeispiel sei der Bau der 380-KV-Leitung im Weinviertel. Dort habe das Land vorab klar definiert, in welchen Zonen Windkraft möglich sei, dann sei der Bedarf erhoben und die nötigen Netzerweiterungen besprochen worden – nun werde gebaut.
Anders die Lage in Salzburg. Dort hätte die APG eigentlich nur bestehende Stromleitungen durch stärkere ersetze wollen. Doch daraus wurde nichts, weil die jeweiligen Bürgermeister die Flächen unter der alten Leitung zu Bauland umgewidmet hatten. Heute stehen ganze Gemeinden dort. Also musste sich die APG eine neue Trasse suchen, um die umstrittenen 128 Kilometer Stromleitungen zu bauen. 193 Kilometer an alten Leitungen werden demontiert.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 04.10.2019)

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