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Trendgrätzel-Liste

Hot. In der illustren Trendgrätzel-Liste von „Timeout“ finden sich Orte wie Vesterbro in Kopenhagen, Pilsen in Chicago oder eben der Yppenplatz und Brunnen-markt in Wien.
Hot. In der illustren Trendgrätzel-Liste von „Timeout“ finden sich Orte wie Vesterbro in Kopenhagen, Pilsen in Chicago oder eben der Yppenplatz und Brunnen-markt in Wien.(c) APA/HERBERT NEUBAUER (HERBERT NEUBAUER)
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Eine Liste mit aktuellen Trendvierteln erwähnt zwei, in denen ich längere Zeit gelebt habe.

Ich wohne seit 13 Jahren beim Yppenplatz, Ottakring, Wien. Ich nahm, ohne es anzustreben, an einer Gentrifizierung teil. In einer Liste des „Timeout"-Magazins mit den weltweit „angesagtesten Trendvierteln" nimmt der Yppenplatz heute den 34. Rang ein. Denke ich an meine dortigen Lieblingsorte – den Marmeladen- und Konservenshop Staud, das norditalienische Restaurant des Raetus Wetter und den Samstagsgemüsestand von Bio-Martin –, erfolgt die Erwähnung zu Recht. Ich werde mich abfinden, wenn in Zukunft Rucksackleute den Guide von Lonely Planet auf meinen Ellbogen legen. Das gehört zur Toleranz, ebenso wie das milde Ignorieren von Straßenmusikern, die Songs spielen, die man schon hundert Mal gehört hat. Wem die Gegend nicht passt, der kann ja seine wertgesteigerte Eigentumswohnung verkaufen. (Leider hat sich der Wert sämtlicher städtischer Immobilien aliquot erhöht.)

Das alles wäre nicht so erstaunlich. Solche wie ich und der Yppenplatz finden unweigerlich zueinander. Bemerkenswerter war für mich der Spitzenreiter der Liste, Arroios aus Lissabon, denn da wohnte ich ein Jahr lang. Es war damals heruntergekommen, die Bierhalle Portugália ähnelte einem Meeresfrüchte-Hofbräuhaus, während sie heute ihren Schwerpunkt traurigerweise auf Steaks legt. Durch die Rua Morais Soares wackelten Straßenbahnen, die bald zugunsten des Individualverkehrs aufgelassen wurden und eines Tages mit hohen Kosten wiederhergestellt werden müssen – die traurige Seite der „Aufwertung", die meist zuallererst eine Aufwertung der Immobilienpreise darstellt. In Ottakring wurden und werden, damit einige „Entwickler" Geld machen können, ehrliche Gründerzeithäuser abgerissen und durch Idiotenarchitektur für die Zielgruppe der glücklichen Familien ersetzt.

Ich muss mir Arroios wieder einmal ansehen, doch ich ahne Schlimmes.
Solche Listen zeugen letztlich vor allem von der Prenzlauerbergisierung ganzer Stadtflächen. In Berlin ist übrigens Wedding (Rang vier auf der Liste) dran. Shimokitazawa (Tokio, Rang zwei) und Onikan (Lagos, Rang drei) kenne ich noch nicht.

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