Betrachtung

Was bleibt vom Klassiker?

„Don Karlos“. Marquis von ­Posa (Franz Pätzold), Philipp II. (Thomas Loibl), Burgtheater ab 31. 10.
„Don Karlos“. Marquis von ­Posa (Franz Pätzold), Philipp II. (Thomas Loibl), Burgtheater ab 31. 10. (c) Burgtheater/Matthias Horn
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„Don Karlos" und „Faust" wird es noch länger geben. Aber all die anderen Klassiker? Der Bildungskanon schrumpft. Eine Betrachtung.

ister Barnstaple fand, dass er dringend einen Urlaub brauchte; nur wusste er weder mit wem noch wohin er hätte gehen können. Er war überarbeitet und hielt es zu Hause nicht mehr aus." Wo sind wir? Bei Yasmina Reza, Paulo Coelho oder Daniel Kehlmann? Nein, beim britischen Sci-Fi-Autor H. G. Wells, der 1904 mit dem Klassiker „Die Zeitmaschine" den Grundstein legte für Heerscharen von Nachahmern, einer der letzten war Michael „Bully" Herbig mit „(T)Raumschiff Surprise", einer Verjuxung des Themas. Ein Klassiker behandelt ewig gültige Themen, aber nicht immer handelt er von Königen (Shakespeare), ruhelosen Gelehrten (Faust) oder nicht standesgemäßen Leidenschaften („Kabale und Liebe", „Emilia Galotti"). Schillers „Kabale und Liebe" findet sich kaum mehr auf den Spielplänen, dafür aber H. G. Wells. „Menschen, Göttern gleich" heißt sein Buch über einen Mann, der sich in seiner vertrauten Welt nicht mehr zurechtfindet. Er fährt mit der S-Bahn zwei Stationen zu weit und findet sich in einer idealen Zukunft ohne Gewinnstreben und Krankheiten wieder: In „Veddeltopia". Das Buch ist unter dem Titel „Veddel" als Uraufführung ab Dezember am Deutschen Schauspielhaus in Hamburg zu sehen. Während Intendanten auf der Suche nach aktuellen Stoffen überaus erfinderisch zu sein scheinen, schrumpft der klassische Kanon. Das hat allerlei Gründe. Zum Beispiel: Was bedeuten uns noch Könige und Mord bei Hofe?

Wer redet wie Goethe? Die Mechanismen der Macht mögen ja heute ähnlich sein wie einst, aber Spitzenpolitiker wie Trump, Macron oder Merkel sind einfach schon sehr weit weg von einem Richard III. Die Sprache von Klassikern einzustudieren ist aufwendig, die Menschen im Publikum redeten einst ähnlich wie Shakespeare oder Goethe, heute ist das nicht mehr so. Generationen, die mit Popmusik, Fernsehen und Film aufwachsen, betrachten Reclamhefte als lästige Übung. Die Überalterung des Publikums ist einer der größten Feinde des Theaters, inzwischen sind sogar die Nachfahren der 68er-Revolutionäre bereits im Pensionalter.

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