Es muss nicht immer Berlin, München oder Frankfurt sein, auch die Städte in der zweiten und dritten Reihe bieten Immobilieninvestoren interessante Gelegenheiten. In Erfurt engagieren sich auch die Österreicher.
Angesichts des Produktmangels und weiter steigender Preise in den sieben größten deutschen Städten, hält eine Entwicklung an, die bereits vor einigen Jahren eingesetzt hat: Immobilieninvestoren kehren den boomenden Metropolen den Rücken und widmen sich den Städten in der zweiten und dritten Reihe. Allein 2018 waren die deutschen B- und C-Städte für rund 45 Prozent des gewerblichen Investmentvolumens verantwortlich. „Viele dieser Märkte verzeichnen eine sehr positive Entwicklung, die mit jener der Big 7 durchaus vergleichbar ist“, erklärt Christoph Wendl, CEO Wealthcore Investment Management GmbH.
Positive Mietpreisentwicklung
Laut Volker Ottenströer, Leiter Standort Hamburg und Director bei Wüest Partner Deutschland, können etwa Investitionen in Mehrfamilienhäuser unter anderem von rückläufigen Leerstandsquoten, positiver Mietpreisentwicklung oder der intakten Nachfragesituation profitieren. „Ganz zu schweigen von niedrigen Arbeitslosenzahlen, positiver Wirtschaftsentwicklung und deutlich gestiegener Kaufkraft“, meint er. In zwei Studien über die nord- und süddeutschen Wohnungsmärkte hat Wüest Partner auf Basis des Rendite-Risiko-Profils besonders interessante B- und C-Märkte ausgemacht. Dazu zählen im Norden Wolfsburg, Flensburg, Braunschweig und Lübeck sowie im Süden Augsburg, Freiburg, Ludwigsburg, Friedrichshafen und Fürth. In West- und Mitteldeutschland stechen Kassel, Aachen, Koblenz und Siegen hervor. In den genannten Städten entwickelten sich die Renditen deutlich besser als in den A-Märkten. „Das gilt im Übrigen für alle Immobiliensegmente“, betont Ottenströer.
Das zunehmende Investoreninteresse an den Märkten abseits der großen Metropolen ist nicht folgenlos geblieben. „Auch in den B- und C-Märkten sind in den letzten Jahren die Preise gestiegen und die Renditen zurückgegangen, aber nicht so stark wie in den A-Städten“, sagt Wendl. Der Experte nennt ein Beispiel: Während Wohnhäuser in Passau eine Rendite von rund 4,5 Prozent bieten, sei in München nur etwas mehr als ein Prozent zu lukrieren. „Da geht es eigentlich nur noch um den reinen Substanzerhalt“, meint Wendl. Auf der anderen Seite hätten sich die Preise in der bayrischen Landeshauptstadt im letzten Jahrzehnt mehr als verdoppelt, in Passau beziehungsweise den Sekundärstädten hingegen nicht.
Auch die österreichische S Immo hat in den letzten Jahren im Zuge des rasanten Preisanstiegs in Berlin – wo sich der Großteil ihres rund eine Milliarde schweren deutschen Immobilienportfolios befindet – begonnen, sich in Sekundärstädten nach günstigeren Investmentmöglichkeiten umzusehen. Bei der Standortwahl galt der Fokus vor allem drei Kriterien, erklärt Deutschland-Chef Robert Neumüller: einer entsprechenden Größe sowie einer positiven demografischen und wirtschaftlichen Entwicklung. Nach und nach sicherte man sich Immobilien in Leipzig, Kiel, Magdeburg, Halle und Rostock. Im Vorjahr folgte Erfurt.
Erfurt im Fokus
Mittlerweile besitzt das österreichische Unternehmen 33 Immobilien in der Landeshauptstadt Thüringens. Nachdem in einem ersten Schritt Wohnhäuser in den Gründerzeitvierteln um die Altstadt Erfurts erworben wurden, folgten zuletzt zwei Büroimmobilien in zentraler Lage. Weitere Zukäufe sollen folgen. „Erfurt ist für uns eine spannende Stadt“, sagt er.
Dass die mehr als 210.000 Einwohner zählende Stadt jährlich um 2000 Personen wächst, bewirke nämlich einen Druck auf Mieten und Kaufpreise. Davon profitiert man bereits: Während sich die durchschnittlichen Wohnmieten derzeit bei rund 6,30 Euro pro Quadratmeter belaufen, beginnen Neuvermietungen bei einem Preis von 7,50 Euro. Einen noch höheren Anstieg erhofft man künftig im Büroobjekt „Reichsbahndirektion“ direkt am Bahnhof umsetzen zu können – von aktuell 7,50 Euro pro Quadratmeter auf zwölf bis 14 Euro. Für Wendl steht fest: „Insgesamt ist derzeit das Risiko-Rendite-Verhältnis in den B- und C-Städten besser ausgeprägt.“ Dennoch gelte es, in diesen Märkten einiges zu beachten. Dazu zählen etwa kleinere umsetzbare Investitionsvolumina, die noch größere Bedeutung von guten, zentralen Lagen sowie der geringeren Kaufkraft geschuldete, länger dauernde Verkaufsprozesse. Die Märkte seien zudem intransparenter, weshalb man stärker vernetzt und mit lokalen Partnern – wie Maklern, kleineren Projektentwicklern und Bauträgern – zusammenarbeiten müsse. Dem zunehmenden Investoreninteresse hat das aber bislang keinen Abbruch getan.
AUF EINEN BLICK
Nachdem A-Städte den Preisplafond erreicht zu haben scheinen, sehen sich Investoren verstärkt im Umland der großen Metropolen um. Im Vorjahr zeichneten B- und C-Städte in Deutschland für rund 45 Prozent des gewerblichen Transaktionsvolumens verantwortlich. Die Märkte in der zweiten und dritten Reihe punkten mit günstigeren Preisen und höheren Renditen.
("Die Presse", Print-Ausgabe, 04.10.2019)