Im Süden von Dubai entsteht derzeit der District 2020, der unter anderem einen Blick in die Stadt der Zukunft gewähren soll. „Die Presse“ sprach mit Oliver Kraft von Siemens über die technologischen Herausforderungen.
Die Presse: Herr Kraft, was sind die Beweggründe für Siemens, sich an der Expo 2020 in Dubai zu beteiligen?
Oliver Kraft: Dubai ist eine aufstrebende Region. Unser Engagement geht weit über die normale Zurschaustellung von Technologie hinaus: Wir sind einer von insgesamt zwölf Premiumpartnern der Expo. Unsere Aufgabe ist es, Infrastruktur zu digitalisieren. Wir verknüpfen 137 Gebäude miteinander in den Bereichen Komfort, Sicherheit, Energieeffizienz und Nachhaltigkeit. Das gesamte Expo-Gelände umfasst rund 4,4 Quadratkilometer, die Seestadt Aspern ist im Vergleich dazu 2,4 Quadratkilometer groß. Unser Ziel ist es, eine Blaupause für die Smart City der Zukunft zu schaffen.
Wurden technische Lösungen extra für die Expo entwickelt?
Die Technik existiert bereits, sie wird aber den Erfordernissen angepasst. Unter anderem wird unser digitales Gebäudemanagementsystem Desigo CC geländeweit installiert. Mithilfe von Sensoren werden Gebäudefunktionen wie Klimatisierung, Energieverbrauch, Beleuchtungssteuerung, Fahrstühle, Luftqualität und Brandmeldeanlagen überwacht und gesteuert. Die Daten von rund 200.000 Datenpunkten werden gesammelt und mittels IoT-Betriebssystem MindSphere analysiert.
Inwieweit werden die erwarteten 25 Millionen Expo-Besucher überhaupt etwas von Siemens bemerken?
Grundsätzlich ist unser Engagement primär für die Organisation gedacht, weil wir ja im Hintergrund arbeiten. Geht zum Beispiel ein Kind auf dem Expo-Gelände verloren, so werden wir es in recht kurzer Zeit dank der 15.000 montierten Überwachungskameras wiederfinden. Wir stehen aber mit dem Veranstalter in Verhandlungen, um schon während der Dauer der Expo ein Stockwerk jenes Gebäudes zu nutzen, in dem später unser Logistik-Hub für die gesamte Region einziehen wird. Wir wollen unsere Technologie für Kunden erlebbar machen.
War er für Siemens schwer, Premiumpartner zu werden?
Wir haben uns an der Ausschreibung beteiligt. Ob wir Mitbewerber ausgeschaltet haben, weiß ich nicht. Das Angebot umfasste die Technologie und – wie bei so großen internationalen Veranstaltungen üblich – eine Art Club Fee. Die Expo-Beteiligung bringt uns Erfahrung, Reputation und Vorteile im Stakeholder Management.
Werden Sie Vertreter von Städten einladen, um ihnen Ihre Lösungen vorzuführen?
Ja, das geschieht heute schon bei den International Participants Days. Wir haben zum Beispiel den Projektmanagern, die für die einzelnen Länderpavillons verantwortlich sind, unsere Technologie präsentiert. Auch der Wiener Bürgermeister, Michael Ludwig, war bereits in Dubai. Die Einzigartigkeit der Expo zeigt sich daran, dass wir nicht nur mit der Industrie Kontakte haben, wovon die normalen Besucher in der Folge Nutznießer sein werden, sondern auch Kontakte mit öffentlichen Stellen, wovon wir uns Aufträge für die Zukunft erhoffen.
Wie sieht die Nachnutzung des gesamten Geländes aus?
137 Gebäude sind um den Dom angelegt, jedem Land wurde erstmals eine eigene Ausstellungsfläche angeboten. Der deutsche Pavillon ist im Themenbereich Sustainability, der österreichische im Themenbereich Opportunity angesiedelt. Die Mehrzahl der außen liegenden Pavillons wird später wieder abgebaut, was normal bei Expos ist. Im Zentrum des Expo-Geländes bleiben 80 Prozent jedoch erhalten, inklusive des Exhibition Center. Diese Gebäude sollen genauso wie die Technik weiter verwendet werden. Das Areal der 30.000 Parkplätze wird nach der Veranstaltung für kommerzielle und private Neubauten genutzt. Um das Gelände an das U-Bahn-Netz anzuschließen, wurden 15 Kilometer Schienen verlegt. Das Expo-Dorf dient während der Weltausstellung als Personalunterkunft mit 2100 Apartments. Die Nachnutzung sieht Hotellerie vor. District 2020 wird ein auf Sand gebauter neuer Stadtteil, im Endausbau soll er zweimal so groß sein wie Monaco.
ZUR PERSON
Oliver Kraft ist seit Ende 2017 Executive Director von Siemens für die Expo 2020 Dubai und damit für den gesamten Aufbau und Betrieb der technischen Anlagen des deutschen Technologiekonzerns auf dem Expo-Gelände verantwortlich. Das Engagement umfasst unter anderem die Bereiche Komfort, Sicherheit, Energieeffizienz und Nachhaltigkeit. Die Weltausstellung öffnet vom 20. Oktober 2020 bis zum 3. April 2021 ihre Tore.
("Die Presse", Print-Ausgabe, 04.10.2019)