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Hasspostings: Glawischnig besiegt Facebook

Eva Glawischnig.
Eva Glawischnig.(c) APA/HERBERT NEUBAUER (HERBERT NEUBAUER)
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Erklärt ein nationales Gericht ein Posting auf Facebook für rechtswidrig, kann es die Internetplattform verpflichten, den Kommentar nicht nur in diesem Land, sondern auch alle sinngleichen Beleidigungen weltweit zu eliminieren.

Wien. Für Eva Glawischnig, die frühere Chefin der Grünen, ist das gestrige Urteil des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) „ein historischer Erfolg für den Persönlichkeitsschutz gegen Internetgiganten wie Facebook“. Ihre Anwältin bezeichnete es sogar „als Meilenstein im Kampf gegen Hass im Netz“. Verständlich, denn als sich die ehemalige Politikerin entschied, rechtlich gegen Facebook zu Feld zu ziehen, schätzten viele ihre Erfolgschancen als eher gering ein.

Auslöser des Rechtsstreits war ein Artikel auf einer Facebook-Seite, auf der neben einem Foto von Glawischnig ein Begleittext („Grüne: Mindestsicherung für Flüchtlinge soll bleiben“) veröffentlich wurde. Die ebenfalls veröffentlichten Postings zu diesem Artikel hatten es allerdings in sich. Unter anderem wurde Glawischnig von einem Fakenutzer als „miese Volksverräterin“ beschimpft. Dieser Beitrag war für jedermann sichtbar.

Sie verlangte vom US-Konzern daraufhin, sowohl das konkrete Posting weltweit zu löschen als auch sinngleiche, aber anders formulierte Beleidigungen vom Netz zu nehmen. Nachdem die Vorinstanzen Glawischnig weitgehend recht gegeben hatten, leitete der Oberste Gerichtshof (OGH) die Causa an das EU-Höchstgericht weiter, damit dieses die maßgebliche EU-Richtlinie auslege, weil er nicht sicher war, ob er überhaupt eine weltweite Löschung veranlassen dürfe.

Die EuGH-Richter kamen am Donnerstag zu folgendem Ergebnis: Das EU-Recht verbiete es nationalen Gerichten keineswegs, Onlineanbieter wie Facebook zu zwingen, nicht nur einen schon zuvor als rechtswidrig erklärten Kommentar zu entfernen, sondern auch wort- und sinngleiche Postings. Das bedeutet, Facebook und Betreiber von anderen Internetplattformen können zur systematischen Suche und Löschung von Beleidigungen und Hasspostings rechtlich gezwungen werden. Sofern die Gerichte der Mitgliedstaaten die international relevanten Bestimmungen berücksichtigen würden, könnten sie auch eine weltweite Löschung unzulässiger Postings veranlassen.

Auch auf die heikle Frage, was unter „sinngleichen Kommentaren“ zu verstehen ist, versuchte der EuGH, Antwort zu geben: Demnach sind das solche, die mithilfe „automatisierter Techniken und Mittel zur Nachforschung erkannt und herausgefiltert werden können“.

Was ist mit der Meinungsfreiheit?

Dass der Facebook-Konzern das Urteil für falsch hält und damit sogar die Menschenrechte beeinträchtigt sieht, überrascht freilich nicht: „Dieses Urteil wirft kritische Fragen zur Meinungsfreiheit und zur Rolle auf, die Internetunternehmen beim Monitoring, Interpretieren und Entfernen von Äußerungen, die in einzelnen Ländern illegal sein können, spielen sollen“, sagte eine Unternehmenssprecherin in einer ersten Reaktion. „Bei Facebook haben wir bereits gemeinsame Standards, die darlegen, was Menschen auf unserer Plattform teilen können und was nicht. Und wir haben ein Verfahren, um Inhalte einzuschränken, wenn sie örtliche Gesetze verletzen. Dieses Urteil geht darüber hinaus.“ Überdies untergrabe es den langjährigen Grundsatz, dass ein Land nicht das Recht habe, seine Gesetze zur Meinungsfreiheit einem anderen Land aufzuerlegen.

Ein Argument, dem sich auch einige Bürgerorganisationen angeschlossen haben. Die Plattform für Grundrechtspolitik, epicenter.works, kritisiert etwa das Urteil als „überbordend“. Autoritäre Staaten könnten nun ähnliche Regeln erlassen, die zu Sperrung von Inhalten in Europa führen könnten. Da das Herausfiltern anderer Hasspostings mit automatisierten Techniken möglich sein muss, werde es passieren, dass künftig auch satirische Kommentare gelöscht werden.

Andere Befürchtungen hegt wiederum der Generalsekretär des Verbands österreichischen Internetprovider (Ispa), Maximilian Schubert. „Wenn sämtliche Inhalte im Netz gelöscht werden, die gegen irgendeine Rechtsnorm in irgendeinem Staat weltweit verstoßen, wäre das Internet wohl bald ein leerer und monotoner Raum.“

AUF EINEN BLICK

EuGH-Urteil. Die ehemalige Chefin der Grünen, Eva Glawischnig, zog gegen Facebook vor Gericht, nachdem sich der Konzern weigerte, einen rechtswidrigen und sie beleidigenden Kommentar weltweit zu löschen. Überdies verlangte sie, dass nicht nur dieser, sondern sinngleiche Kommentare von dem US-Konzern gelöscht werden. Gestern entschied der EuGH und kam zu dem Ergebnis, dass nationale Gerichte Facebook und andere Internetplattformen dazu verpflichten können, rechtswidrige Postings weltweit zu entfernen.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 04.10.2019)

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