Architektur

Kreative Akzente aus dem Alpenland

Visualisierung des Girteka Campus in der litauischen Hauptstadt Vilnius: Die österreichischen Architekten von ATP gewannen mit ihrem Entwurf den internationalen Wettbewerb des globalen Logistikunternehmens.
Visualisierung des Girteka Campus in der litauischen Hauptstadt Vilnius: Die österreichischen Architekten von ATP gewannen mit ihrem Entwurf den internationalen Wettbewerb des globalen Logistikunternehmens.(c) ATP/ Zoomvp
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Heimische Baukunst sorgt international für große Aufmerksamkeit. Die Projekte reichen von Museen über Logistikparks bis hin zu Filmkulissen in Hollywood.

Die Villa Müller in Prag von Adolf Loos, das Museum für Moderne Kunst in Frankfurt von Hans Hollein, die markante BMW-Zentrale in München von Karl Schwanzer: Österreichische Architektur hat dem 20. Jahrhundert seinen visuellen Stempel aufgedrückt. Inzwischen ist die Formensprache aber eine andere und das Kernthema des 21. Jahrhunderts nicht mehr „höher, weiter, schneller“, sondern effizienter, lebenswerter – und vor allem nachhaltiger. Bauherren wollen sich heute keine Denkmäler setzen, sondern ihre Projekte in der vorgegebenen Zeit und mit dem vorhandenen Budget auf dem höchsten Qualitätsniveau umgesetzt wissen. Zeitgemäße Architektur dient dazu, Räume in überfüllten Städten neu zu definieren und die Visibilität zu steigern, darf aber keinesfalls zum Selbstzweck werden. Eine große Umstellung in der Branche – aber eine, die Architekturbüros aus Österreich offenbar sehr gut meistern, wie ihre internationalen Erfolge zeigen.

Pavillon für Expo Dubai 2020

Denn während in Österreich Neubau aufgrund des Wohnungsmangels in den meisten Fällen Wohnbau ist und strenge Vorgaben kaum Platz für Kreativität lassen, kann die heimische Architektenszene bei ihren internationalen Projekten derzeit richtig tief in die Trickkiste greifen. Der Österreich-Pavillon bei der Expo 2020 in Dubai von Querkraft mit seinen Türmen aus Lehm, ein begrüntes Einkaufszentrum in Zagreb von BEHF, ein Schweizer Wohnhaus, das keine Heizung braucht, von Baumschlager Eberle: Es gibt eine Reihe von Bauten, die man sich auch für Österreich wünschen würde. Und nicht nur im Neubau. Delugan Meissl (DMAA), das mit Projekten wie dem Porsche-Museum in Stuttgart internationale Awards einheimsen konnte, zeigt gerade beim Umbau des Stadttheaters Karlsruhe mit einer imposanten Dachlandschaft, dass auch eine Revitalisierung Akzente setzen kann.

Das größte Architekturbüro Österreichs, ATP, hat vor Kurzem den internationalen Wettbewerb für den neuen globalen Firmensitz von Girteka Logistics in der litauischen Hauptstadt, Vilnius, gewonnen. Statt eines Logistikparks haben die Österreicher einen Campus entworfen, der neben Büros oder Lkw-Servicestationen viel Grün und sogar Shoppingflächen umfasst. Wie früher in einem Dorf soll das Miteinander der Menschen die Verbundenheit mit ihrer Arbeitswelt fördern. „Es handelt sich um ein Projekt der Superlative“, sagt Dario Travas, ATP-Partner und Head of Design Wien: „Dieses Projekt ist nicht nur ein großer Meilenstein für die Investoren und Planer, sondern auch für Vilnius.“ Das ATP-Projekt beweist: Selbst ein Logistikzentrum lässt sich architektonisch anspruchsvoll gestalten.

Hotels mit Persönlichkeit

Auch bei anderen „Gebrauchsimmobilien“ zahle es sich aus, wenn der Architekt aus dem Vollen schöpfen kann, meint Erich Bernard, Interior-Design-Experte bei BWM. Das Wiener Architekturbüro gibt derzeit Hotels in ganz Europa ein neues Gesicht – vom Budgethotel in Slowenien, das mit einem Gastronomiebereich aufgewertet wird, bis zum Marriott am Potsdamer Platz in Berlin, das zum Bankett- und Konferenzhotel umgebaut wird. „Man sollte immer nach der Persönlichkeit eines Hotels suchen, der Eigenart der Marke“, meint Bernard. Dafür hat BWM auch mehrere Auszeichnungen erhalten. „Es ist wie mit einer Person: Je besser man sie in ihren Eigenarten versteht, umso mehr kann man diese als Stärken erkennen.“

Wenn Hollywood ruft

Bekannte Objekte neu zu denken ist eine Herausforderung – wenn Hollywood ruft, liegt die Latte noch etwas höher. Wideshot etwa hat für den Hollywood-Blockbuster „Independence Day: Resurgence“ Raumschiffe entworfen und arbeitet gerade am nächsten Streifen von Regisseur Roland Emmerich. Das Wiener Architekturbüro ist aber nicht nur auf Projekte stolz, bei denen es um Traumwelten auf der Leinwand geht, sondern auch auf jene, bei denen es bodenständiger zugeht. „Wir haben gerade in China einen großen Auftrag für Nio, einen der Newcomer in der Elektroautomobilität, abgeschlossen“, sagt Oliver Bertram von Wideshot.

Geholfen hat dabei die internationale Ausrichtung des Unternehmens, die nicht zuletzt in der unterschiedlichen Herkunft der Teammitglieder zum Ausdruck kommt. „International zu sein, ist uns sehr wichtig“, resümiert Bertram – und spricht damit vielen seiner Kollegen aus der Seele: „Nicht nur, weil es dadurch einfacher wird, internationale Auftraggeber zu betreuen und zu gewinnen, sondern, weil wir uns selbst als weltoffenes Unternehmen sehen, das von den unterschiedlichen Wurzeln seiner Mitarbeiter profitiert.“

AUF EINEN BLICK

Aktuelle Projekte österreichischer Architekturbüros umfassen unter anderem:

Girteka Campus in Vilnius, realisiert von ATP Architekten.

Umbau und Redesign der Bankett- und Konferenzbereiche des Berlin Marriott Hotels am Potsdamer Platz.

Das Wiener Architekturbüro Wideshot entwirft unter anderem Filmkulissen für einen neuen Film des deutschen Regisseurs Roland Emmerich.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 04.10.2019)

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