Nach Einigung über konfliktlösende Maßnahmen für den Donbass spürt Selenskij innenpolitischen Gegenwind.
Moskau/Kiew. Zwischen der Ukraine und Russland steht ein neuerlicher Gefangenenaustausch bevor. Schon Anfang September waren 35 prominente Häftlinge, unter ihnen der Regisseur Oleh Senzow, nach Kiew zurückgekehrt. Der ukrainische Außenminister Wadim Pristaiko hatte am Donnerstagabend in einer TV-Sendung einen „umfangreichen Austausch“ für nächste Woche angekündigt; der Kreml bestätigte das Vorhaben gestern. Unklar ist, ob dieses Mal auch Gefangene aus den ostukrainischen Separatistengebieten einbezogen werden könnten. Dort wird etwa der Journalist Stanislaw Asejew seit mehr als zwei Jahren festgehalten.
Ein abermaliger Gefangenenaustausch wäre eine weitere vertrauensbildende Maßnahmen zwischen den Konfliktparteien. Nach der Einigung auf ein als „Steinmeier-Formel“ bekanntes Maßnahmenpaket für das ostukrainische Konfliktgebiet wird nach einem Termin für ein Treffen zwischen den Präsidenten Wladimir Putin und Wolodymyr Selenskij gesucht. Trotz der Einigung bestehen nach wie vor Auffassungsunterschiede zwischen Kiew, Moskau und den von Russland unterstützten Separatisten über die konkreten Schritte. Man einigte sich auf die Abhaltung von Lokalwahlen, nach denen – so sie gesetzmäßig ablaufen – ein Sonderstatus für das Gebiet in Kraft treten soll. Die Ukraine fordert bis zum Wahltermin den Abzug russischer und von Russland unterstützter Truppen.
Auch innenpolitisch ist der Plan, der das 2015 geschlossene Minsker Abkommen in Teilen ausformuliert, für die neue Regierung ein Pulverfass. Ex-Präsident Petro Poroschenko, der dem Abkommen einst zustimmen musste, kritisierte seinen Nachfolger scharf. Selenskij sicherte zu, dass bei den Lokalwahlen im abtrünnigen Gebiet ukrainische Parteien zugelassen und internationale Beobachter anwesend sein müssten. (som)
("Die Presse", Print-Ausgabe, 05.10.2019)