Deutschlands Bundespräsident Horst Köhler hält sein Amt für beschädigt und geht. Für heimische Politiker wohl schwer vorstellbar.
Nein, Horst Köhler ist kein Mann des Wortes. Und so war sein Abtritt symptomatisch für die sechs Jahre, die er versucht hatte, sich im Amt des deutschen Staatsoberhaupts zurechtzufinden. Er wirkte zögerlich, unsicher, las sogar den Satz „Ich erkläre hiermit meinen Rücktritt vom Amt des Bundespräsidenten“ vom Manuskript. Das Wort ist eigentlich die wichtigste Waffe des Bewohners von Schloss Bellevue, doch Rhetorik war Köhlers Sache nie, so sehr er ein „Bürgerpräsident“ sein wollte.
Der große Bonus des einstigen IWF-Chefs war auch sein größtes Handicap: Er kam nicht aus der aktiven Politik. Das verlieh ihm Frische und Glaubwürdigkeit. Von der Notwendigkeit, in politischen Kategorien zu denken, entbindet es nicht. Und ein deutsches Staatsoberhaupt kann sicher Klügeres tun, als ohne Not darüber zu schwadronieren, dass für ein handelsabhängiges Land auch Militäreinsätze zum Schutz von Wirtschaftsinteressen notwendig sein können.
Das hat berechtigte Kritik hervorgerufen, doch Köhler ließ die Aussage zurechtrücken – und damit wäre die Sache normalerweise gegessen gewesen. Dass er nun wegen der Kritik zurücktritt, ist irgendwie absurd, zumal er in sechs Jahren – etwa von Gerhard Schröders SPD – schon kräftigere Hiebe ausgehalten hat. Doch er hält das Amt für beschädigt. Welcher österreichische Politiker würde wohl zurücktreten, wenn sein Amt tatsächlich beschädigt wäre? Wo hier zu wenig Sensibilität herrscht, herrscht in Deutschland zu viel Dünnhäutigkeit.
("Die Presse", Print-Ausgabe, 01.06.2010)