Hat Alma Zadic einem ihr unbekannten Mann zu Unrecht den Hitlergruß vorgeworfen?
Wien. Wie schnell soziale Netzwerke zu rechtlichen Minenfeldern werden können, zeigt ein Prozess, der am Dienstag in Wien lief: Die frühere Nationalratsabgeordnete der Liste Jetzt und nunmehrige Grün-Mandatarin Alma Zadic musste sich wegen des Vorwurfs der üblen Nachrede rechtfertigen.
Sie hatte im Jänner – es fand zuvor eine Donnerstags-Demo gegen die damals türkis-blaue-Bundesregierung statt – einen Twitter-Eintrag (Tweet) weiterverbreitet (Retweet). Zu sehen war darauf das Foto eines Mannes, der am Fenster stand, als der Demo-Zug vorbeizog. Und zwar am Fenster des Hauses, in der die Burschenschaft Gothia untergebracht ist. Die Geste, die der Mann gerade machte, wurde von vielen Beobachtern als Hitlergruß interpretiert. Auch in der Twitter-Mitteilung, die Zadic absetzte, war die Mittelung verpackt, dass es keine Toleranz für Neonazis und Rassismus geben dürfe.
Der Mann ließ daraufhin via Anwalt Michael Schilcheger einen Antrag gemäß Mediengesetz (§ 6) gegen Zadic einbringen. Er begehrt nun eine (nicht bezifferte) Entschädigungszahlung.
„Pflicht als Abgeordnete“
Zadic, vertreten von Anwältin Maria Windhager, sagte am Dienstag vor Gericht: „Ich habe es als meine Pflicht als Abgeordnete gesehen in die Debatte über Rechtsextremismus einzusteigen.“ Und: „Dieser Mensch hat für mich einen Hitlergruß gemacht.“
Der ehemalige Grünen-Abgeordnete Karl Öllinger ist wegen eines ähnlichen Tweets bereits zu 1500 Euro Entschädigungszahlung verurteilt worden. Dagegen hat er Rechtsmittel eingebracht.
Zadic muss auf eine Entscheidung noch warten. Richter Thomas Spreitzer vertagte die Verhandlung auf 18. Oktober. Ihren Tweet hat die Abgeordnete vorsichtshalber gelöscht. (m. s.)
("Die Presse", Print-Ausgabe, 09.10.2019)