Fußball

Paraden und Geplänkel: Der erbitterte Kampf ums Einserleiberl

Herausforderer Marc-André ter Stegen.
Herausforderer Marc-André ter Stegen.(c) APA/AFP/JOHN MACDOUGALL/CHRISTOF (JOHN MACDOUGALL)
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Manuel Neuer oder doch lieber Marc-André ter Stegen? Vor dem heutigen Länderspiel gegen Argentinien tobt in Deutschland wieder einmal ein Tormann-Streit. Die Historie der deutschen Goalies zeigt, wie schnell der Konkurrenzkampf zwischen den Pfosten eskalieren kann.

Wien/Dortmund. Insgeheim hat Marc-André ter Stegen wohl auf Lionel Messi gehofft. Deutschland testet heute gegen Argentinien (20.45 Uhr, RTL), und einen besseren Gegenspieler als Messi hätte sich ter Stegen gar nicht aussuchen können, um das ganze Land von seinen Tormann-Fähigkeiten zu überzeugen. Doch Messi fehlt heute in Dortmund – was aber nichts daran ändern sollte, dass auf ter Stegen mehr Arbeit wartet als drei Tage später auf Manuel Neuer. Dann wird die erklärte Nummer eins von Teamchef Joachim Löw das deutsche Tor in der EM-Qualifikation bei Außenseiter Estland hüten – und in Tallinn wohl einen ruhigen Abend verbringen.

In Bewerbsspielen ist ter Stegen nur der Reservist im deutschen Team. Eine Rolle, die der 27-Jährige heuer öffentlich beklagt hatte. Neuer gefiel das nicht, ter Stegen wiederum gefiel nicht, dass Neuer ihn dafür kritisierte. Die Bayern-Vereinsbosse sprangen ihrem Stammkeeper Neuer verbal zur Seite, schossen dabei einmal mehr übers Ziel hinaus und erwiesen dem 33-Jährigen damit einen Bärendienst. Ter Stegen gab in der Zwischenzeit mit seinem Klub FC Barcelona ein Champions-League-Gastspiel bei Borussia Dortmund und rettete den Spaniern mit seinen Glanzparaden ein 0:0.

Noch hält Löw aber an Neuer fest. Die Frage ist, wie lang noch. Neuer ist nun seit knapp zehn Jahren die unumschränkte deutsche Nummer eins – eine Ausnahme in der Geschichte des vierfachen Weltmeisters, zuletzt hatte Rekord-Goalie Sepp Maier (95 Länderspiele) eine ähnliche Stellung.

Schon nach Maier waren in den 1980er-Jahren Toni Schumacher und Uli Stein erbitterte Rivalen. Als der tief gekränkte Stein bei der WM 1986 in Mexiko wieder nur auf der Bank saß, nannte er den damaligen Teamchef, Franz Beckenbauer, einen „Suppenkasper“ und wurde nach Hause geschickt. Auch zwischen Stein und Schumacher flogen verbal die Fetzen.

Ebenfalls Konkurrenten waren Bodo Illgner und Andreas Köpke, wenn auch wesentlich respektvollere im Umgang miteinander. Erst nach der WM 1998 stieg Oliver Kahn mit 29 Jahren zur Nummer eins auf. Der Bayern-Goalie wurde zum besten Spieler der WM 2002 gewählt, patzte aber im Finale gegen Brasiliens Rivaldo. Und auf der Bank lauerte schon Jens Lehmann.

Die Rivalität zwischen Kahn und dem Arsenal-Keeper ist mittlerweile legendär. Als vor allem der FC Bayern vor der Heim-WM 2006 auf eine Entscheidung in der Tormann-Frage drängte, gab der neue Teamchef, Jürgen Klinsmann, Lehmann den Vorzug. „Mein Verhältnis damals zu Kahn war sicherlich eine Fünf“, sagte Lehmann Jahre später. Dennoch: Vor dem Elfmeterschießen im Viertelfinale gegen Argentinien ging Kahn auf Lehmann zu und wünschte ihm viel Glück – die Bilder bewegten ganz Deutschland. Lehmann („Eine sehr schöne Geste“) hielt zwei Elfmeter, im Halbfinale war dann aber Endstation.

Kahn erklärte ein halbes Jahr nach dem Turnier: „Die WM war für mich als Mensch bedeutender, als hätte ich sie gespielt.“ Allerdings meinte er auch: „Ich bin überzeugt, dass wir nach der Finalniederlage 2002 gegen Brasilien dieses Mal Weltmeister geworden wären, wenn ich gespielt hätte.“

("Die Presse", Print-Ausgabe, 09.10.2019)

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