Expertentipps

Finanzierung vor und in der Krise

(c) Guenther Peroutka
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Planen und vorsorgen, solange es gut läuft, maximale Kommunikation und Transparenz, wenn die Schieflage eintritt: so findet sich fast immer eine Finanzierungslösung.

Es kann auch ein positiver Anlass sein, der sich aus Finanzierungssicht als große Herausforderung darstellt. Etwa wenn es darum geht, für das Wachstum eines Unternehmens das nötige Kapital aufzustellen. Der Regelfall, der bei Betroffenen Kopfzerbrechen und Schlimmeres bereitet, ist es freilich nicht. „In 90 Prozent der Situationen, die zu finanziellen Krisensituationen führen, geht es um die Themen Restrukturierung und Sanierung“, weiß Markus Kletzmayr, Geschäftsführer bei KXP Unternehmensberatung. Nicht immer liegt dabei eigenes Verschulden des Unternehmens vor, wie Rudolf Haindl, Geschäftsführer von QimiQ, aus eigener Erfahrung berichten kann: „Wir hatten 1995 eine Idee, bekamen die Patente erteilt, sind 2002 in den Markt gegangen und hatten dafür langfristig alle finanziellen Strukturen geschaffen. Dann ereilte uns 2003 eine schwere Marktkrise, die unser Unternehmen in seinen Grundfesten gefährdet hat. Wir waren chancenlos, hatten einfach Pech.“

Vorsorge und Transparenz

„Natürlich kann es passieren, dass man manchmal selbst als gesundes Unternehmen keinen Einfluss da-rauf hat, was passiert. Aber grundsätzlich gilt: Eine bessere Chance, eine Krise zu überstehen, ist demjenigen beschieden, der in guten Zeiten vorsorgt“, betont Roland Hausenbichl, Gründer von Mittelstandskapital. Zur Vorsorge zählen etwa eine diversifizierte finanzielle Strukturierung, in der man nicht von einem einzigen Partner abhängig ist, und die vorausblickende Finanzierung nicht nur des laufenden Betriebs, sondern auch des langfristigen Geschäftsplans. „Vorsorge ist immer zu empfehlen. Die Realität ist leider oft eine andere“, bringt Clemens Jaufer, Partner bei ScherbauSeebacher Rechtsanwälte, eine Analogie zum Thema Gesundheit: „Wann gehen wir zum Arzt? Erst, wenn es richtig wehtut. Gerade als Anwalt weiß ich, dass wir meistens sehr spät, manchmal leider zu spät, an den Tisch geholt werden.“ Es gelte dann, mit den rechtlichen Rahmenbedingungen das Bestmögliche aus der Situation zu machen.

Das setzt voraus, dass der Kunde mit offenen Karten spielt und für volle Transparenz sorgt. Nur dann können Szenarien entwickelt werden, um den verbleibenden Spielraum zu nutzen. Die Themen Vorsorge und Transparenz erachtet auch Berater Kletzmayr als essentiell: „Die Instrumentarien zu entwickeln, um Klarheit darüber zu haben, wo Geld verdient und wo es verloren wird – das sollte schon in den Phasen passieren, wo alles gut läuft. Viele Unternehmen haben ein laufendes Controlling, das in schwierigen Lagen nicht ausreicht, um vernünftig finanzieren zu können.“ In der Krise selbst brauche es dann einen Quantensprung an Transparenz, um alles durchleuchten zu können, bevor es an Sanierung und Neuaufbau geht.

Neben dem Bankkredit

Wer bei Finanzierungsbedarf von der Bank eine Absage erhält, ist noch lange nicht am Ende des Weges. „Grundsätzlich gibt es für jede Situation auch eine Option. Die Palette reicht vom Mut zum Durchtauchen der eigenen Krise mit Eigenmitteln über die Finanzierung von Sanierungsquoten, Überbrückungsfinanzierungen, Varianten wie Sale-Lease-Back-Modelle – insbesondere bei anlageintensiven Unternehmen – oder das Heben von stillen Reserven bis hin zu Factoring, wenn es um Vermögenswerte bei den Vorräten geht“, sagt Hausenbichl. Ob ein Unternehmer noch willig und in der Lage ist, es selbst stemmen zu wollen, oder ob er einen Investor ins Spiel bringt, sei letztlich eine Frage der persönlichen Perspektive.

Als wesentlich erachten die Experten bei jeder Variante eine offene Kommunikation der Unternehmer mit allen wichtigen Finanzierungspartnern und Stakeholdern. „Wichtig ist, Fristigkeiten zu akkordieren und sich Luft zu verschaffen, um zu einem späteren Zeitpunkt in einen neuen Finanzierungskreislauf eintauchen zu können“, so Jaufer. Statistiken belegen eindeutig, dass die Chancen auf Restrukturierung, wenn alle kommunikativ ins Boot geholt werden, wesentlich höher sind als bei einer Insolvenz. Hoffnung setzt der Anwalt in diesem Zusammenhang auf außergerichtliche Restrukturierungsmodelle, die in Europa gerade diskutiert werden und danach nationalstaatlich umzusetzen sind: „Bei einer Vielzahl an Gläubigern ist das Risiko auch hoch, dass man nicht eine einvernehmliche Lösung findet und sinnvolle Maßnahmen von einzelnen torpediert werden. Vor allem dann, wenn der Zeitdruck groß ist und rechtlich die Haftungsuhr tickt.“ Außergerichtliche Modelle mit Mehrheitsverhältnissen, Exekutionssperren und Zwangsstundungen würden den rechtlichen Rahmen erhöhen, innerhalb dessen Unternehmer wieder Spielraum bekommen. Freilich gebe es auch Situationen, in denen nichts mehr zu retten ist, beispielsweise bei obsoleten Geschäftsmodellen oder dramatischen Marktumbrüchen.

Prozessfaktor Mensch

„Bei uns war es so, dass wir wegen eines Marktproblems trotz bester Planung und Finanzierungsvorsorge nicht mehr weiter wussten. Wir haben uns im Sinne des Fortbestandes unseres Familienunternehmens entschieden, die Finanzierung aus Eigenmitteln zu wagen. Aber wir haben auch professionelle Beratungshilfe in Anspruch genommen“, erinnert sich Rudolf Haindl. Wie der Unterstützungsprozess aussieht, wenn Dritte an Bord geholt werden, erläutert Hausenbichl: „Im ersten Schritt wird die Planung des ratsuchenden Unternehmens kritisch hinterfragt und auf den Stand einer realistischen Umsetzbarkeit gebracht. In einem zweiten Schritt werden die richtigen Finanzierungsinstrumente gewählt, angepasst an den Kapitalbedarf, der kurz- oder langfristig sein kann. Zuletzt wird mit Kapitalgebern bis zur finalen Unterschrift verhandelt.“

Dieser Prozess sei in den Grundzügen klar, aber niemals standardisiert. Jedes Unternehmen und jeder Anlassfall ist individuell zu betrachten. Das hat, wie Rechtsanwalt Jaufer betont, mit dem essentiellen Faktor Mensch zu tun: „Krisen sind nicht trainierbar. Darauf reagiert jeder anders. Es sind Ausnahmesituationen, in denen ich nur raten kann, den Kopf nicht in den Sand zu stecken und offen zu kommunizieren.“ Dass außenstehende Experten für die Unternehmer in prekärer Lage eine wertvolle Hilfe sein können, verstehe sich von selbst. QimiQ-Geschäftsführer Haindl: „Da kann ich aus meiner Erfahrung nur vollinhaltlich zustimmen.“

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