Tuchfühlung

Zeugen und Anwälte – wie viel Kontakt ist erlaubt?

Die Presse
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Lange Zeit galt die goldene Regel, dass Anwälte mit Zeugen kein Wort wechseln sollen, schon gar nicht vor der gerichtlichen Einvernahme. Allerdings lässt sich das in der Praxis oft nicht vermeiden und ist überdies auch gar nicht verboten. Das zeigt auch der Buwog-Prozess.

Wien. Nicht für die Angeklagten, sondern für den Rechtsanwalt der Raiffeisenlandesbank Oberösterreich verlief der 111. Tag des Buwog-Prozesses unerwartet: Richterin Marion Hohenecker zitierte ihn nämlich völlig überraschend in den Zeugenstand. So wollte sie herausfinden, ob er die Aussage von Zeugen beeinflusst hat.

Diese waren unmittelbar zuvor schon von den Staatsanwälten und Hohenecker ausführlich in die Mangel genommen worden. Sie alle hatten unisono angegeben, dass sie besagter Anwalt vor ihrer Aussage zwar beraten, aber in keiner Weise beeinflusst habe. Mehr erfuhr die Richterin auch von dem Raiffeisen-Anwalt nicht. Ihn verärgerte das ungewöhnliche Vorgehen sichtlich. Er sagte daher nahezu nichts, machte lediglich Angaben zu seiner Person, ansonsten verwies er auf seine anwaltliche Verschwiegenheitspflicht. Nur als er den Zeugenstand verließ, warf er der Richterin ein „Wir sehen uns noch“ hin. Bernhard Fink, Vizepräsident des Österreichischen Rechtsanwaltskammertag, hält diese Meldung zwar nicht für besonnen, kann aber den Unmut seines Kollegen verstehen. „Das Vorgehen der Richterin ist absolut unüblich. Wäre ich in die Situation gekommen, hätte ich den Zeugenstand nicht betreten, sondern verlangt, dass ich – wie es das Gesetz vorsieht – erst einmal ordnungsgemäß als Zeuge geladen werde.“

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