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Die Schwellenangst der Österreicher

Für 92 Prozent der Österreicher ist Beratung bei der Veranlagung von Geld wichtig.
Für 92 Prozent der Österreicher ist Beratung bei der Veranlagung von Geld wichtig. (c) APA/BARBARA GINDL (BARBARA GINDL)
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Viele Österreicher würden gern von klassischen Sparformen wie dem Sparbuch auf Investmentfonds, Aktien und andere Wertpapiere umsteigen, trauen sich aber nicht.

Wien. In den Neunzigerjahren hat es zwölf Jahre gedauert, bis man sein Vermögen auf dem Sparbuch verdoppelt hat. Heute müsste man 400 Jahre warten. Mit diesem Beispiel versuchte Robert Zadrazil, Vorstandsvorsitzender der Bank Austria, bei einer Pressekonferenz zum Anlageverhalten der Österreicher verständlich zu machen, was das aktuelle Umfeld niedriger Zinsen für Sparer bedeutet.

Vielen Österreichern wird erst jetzt langsam bewusst, dass es heutzutage kaum mehr möglich ist, sein Erspartes dadurch zu vermehren, indem man es einfach auf einem festverzinsten Sparbuch oder einem Bausparer belässt.

Ganz im Gegenteil: Zwischen 2012 und 2018 haben Österreichs Sparer jährlich einen realen Verlust, also nach Abzug der Inflation, von drei Milliarden Euro gemacht, sagt der Bank-Austria-Chef. Das wird sich auf absehbare Zeit nicht ändern. Denn die noch zu Beginn des Jahres von den Märkten erwartete Zinswende, also der geldpolitische Wechsel von niedrigen zu hohen Zinsen, musste von den Notenbanken abgesagt werden.

Die Gründe dafür sind allseits bekannt: geopolitische Risken wie der Handelskonflikt zwischen den USA und China, der anstehende EU-Austritt Großbritanniens und die sich eintrübenden Konjunkturaussichten. „Eine Zinslandschaft, die über der Inflationsrate liegt, womit die Kaufkraft über das Sparbuch gesteigert werden kann, rückt in weite Ferne“, so Zadrazil.

Zum Sparbuch erzogen

Doch obwohl diese Tatsache bei immer mehr Menschen ankommt, hat es bis dato noch nichts am Spar- und Anlageverhalten geändert. So lassen weiterhin 63 Prozent der Österreicher ihr Vermögen auf klassischen Spareinlagen wie dem täglich fälligen Sparbuch liegen, hat eine zusammen mit dem Marktforscher Marketagent erstellte Studie der Bank Austria ergeben. Dabei halten nur 39 Prozent der Befragten diese traditionellen Sparformen für interessant. Damit liegt eine Abweichung zwischen tatsächlicher Investition und dem angegebenen Interesse von 24 Prozentpunkten vor – die größte Diskrepanz aller abgefragten Anlagevarianten. In Wertpapiere sind wiederum nur 19 Prozent der Befragten investiert, interessant fänden es indes 26 Prozent. Hier ist das Interesse größer als das tatsächliche Investment. Die Gründe dafür sieht Zadrazil in den Gewohnheiten und der Risikoscheue der Österreicher: „Das erste Sparbuch bekommt man schon im Kindesalter. Ohne ein einschneidendes Ereignis, wie zum Beispiel eine Erbschaft, ändert sich dieses Verhalten nicht und wird auch nicht hinterfragt. Zudem wollen die meisten kein Risiko eingehen, dass das eingesetzte Kapital auch nur anteilig verloren geht.“

Umgang mit Geld lernen

Interessant sind auch die Ergebnisse bei Immobilien, bezogen auf Investitionen in Eigentumswohnungen, Häuser oder Grundstücke: 39 Prozent der Befragten halten diese Anlageform für interessant, tatsächlich investieren aber nur 21 Prozent. Zwar sind Kredite durch die niedrigen Zinsen so billig wie nie zuvor, aber gleichzeitig sind die Preise in dieser Assetklasse stark gestiegen: Seit 2000 haben sich Immobilien in Österreich um 94 Prozent verteuert, in Wien sogar um 170 Prozent, rechnet Zadrazil vor. Viele können sich also nach wie vor keine eigene Wohnung, ein Haus oder Grundstück leisten.

Die größte Rendite bringen langfristig nach wie vor Aktien. Daher hält es der Bank-Austria-Chef für wichtig, den Österreichern die Schwellenangst zu nehmen – beginnend in der Schule, wo der richtige Umgang mit Geld in den Lehrplänen verankert werden sollte.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 10.10.2019)

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