Die Ich-Pleite

Das Jammer-Paradox

(c) Carolina Frank
  • Drucken

Spannt jemand die Hunde-Ausziehleine so raffiniert über den Radweg, dass es mich überschlägt, sage ich: So schlimm ist es gar nicht.

Das Jammer-Paradox. Geht es mir gut, fällt jede kleine Unpässlichkeit schwer ins Gewicht. Und muss zwanghaft besprochen werden. Spannt aber jemand – wie vergangenen Montag um 13.10 Uhr – die Hunde-Ausziehleine so raffiniert über den Radweg, dass es mich überschlägt, sage ich: So schlimm ist es gar nicht. Immerhin, mit einem Finger kann ich hier immer noch tippen. Das geht tadellos. Wirkt sich sogar positiv auf meine Syntax aus. Außerdem sind ja gar nicht beide Arme gebrochen. Und besonders toll: Der eingegipste tut weniger weh als der blau-grüne in der Schlinge! Und der ausgeschlagene Zahn behindert mich sowieso nicht beim Tippen. Und die schmucke Naht am Kinn erinnert mich daran, dass meine Mutter recht hatte. Nicht auf die Schönheit setzen, sondern brav lernen! Und überhaupt muss ich eines laut verkünden: Wir leben im Paradies. Die Ärzte in der AKH-Notaufnahme waren ausgesprochen nett zu mir. Haben sich auch noch für das bisschen Wartezeit entschuldigt. Was hätte ich denn mit gebrochenem Arm, ausgeschlagenem Zahn und klaffender Kinnwunde sonst machen sollen an dem Tag? Und bei der Computertomografie kam heraus: Alles in Ordnung im Kopf. So was hört man doch auch mal gern. Sogar der Taxifahrer war besorgt und hat mir empfohlen, den Zahn in Ungarn ersetzen zu lassen. Insgesamt also fast ein guter Montag. Außerdem habe ich Freunde, die mir das Gemüse schneiden. Und die Schuhe binden. Das einzig Blöde an diesem Positiv-Denken: Es kippt manchmal unkon­trolliert ins Gegenteil. Und plötzlich blitzen doch unerwünschte Worte wie „Pumpgun" im Assoziationsfeld mit „Hündchen" und „Frauchen" auf. Wenn ich wieder Yoga machen kann, werde ich diese unkonstruktive Aggression auch wegatmen.

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:


Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.