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Ernährungssicherung

„Vom Beton kann keiner runterbeißen“

Die österreichische Landwirtschaft wird uns bald nicht mehr autark ernähren können. Schuld daran sind Klimawandel und Bodenverbrauch.

Die Ernährungssicherheit ist für die Österreicher durch Klimawandel und den Bodenverbrauch massiv gefährdet. Laut einer Studie der heimischen Agentur für Ernährungssicherheit (AGES), die gemeinsam mit Landwirtschaftskammer und Hagelversicherung präsentiert wurde, gehen die Autoren für die nächsten 40 Jahre von einem Rückgang der Erträge aus der landwirtschaftlichen Produktion um durchschnittlich bis zu 20 Prozent aus. Manche Regionen werden besonders betroffen sein. „Im Marchfeld könnte sich die Ernte durch die zunehmende Hitze und Trockenheit sogar um die Hälfte reduzieren“ sagt Studienleiter Andreas Baumgarten von der AGES.

Der landwirtschaftlich genutzte Boden wird durch den Klimawandel in seinen Eigenschaften und Funktionen stark beeinträchtigt werden. Dann werden die Flächen weniger CO2 binden und keine stabilen Verhältnisse für den Anbau mehr garantieren können, so der AGES-Experte. Auch die Aufnahmekapazität von Regenwasser werde abnehmen, ebenso wie die Filterfunktion des „Dienstleisters“ Boden, der auch Schadstoffe abbaut. Die Bedrohung der wertvollen Ressource werde zu Erosion, Wüstenbildung, Versauerung und einem Biodiversitätsverlust führen, sind sich die Experten einig.

(c) AGES

Ein Extremszenario mit plus sechs Grad und zehn Prozent weniger Niederschlag für den Zeitraum 2036 bis 2065 zeigt, dass der Kornertrag von Ackerflächen drastisch sinken werde. Hier ist wiederum vor allem der Osten des Landes im östlichen Niederösterreich und im Nordburgenland am stärksten tangiert. Wo heute zwischen vier und sechs Tonnen Getreide pro Hektar geerntet werden, könnten es in zukünftigen Jahrzehnten sogar weniger als drei Tonnen werden. "Es ist davon auszugehen, dass bei den meisten derzeit bedeutenden Feldfrüchten nach 2030 keine Autarkie mehr gewährleistet werden kann, selbst wenn alle derzeit verfügbaren Bodenressourcen in der Produktion verbleiben“, malt Baumgarten ein düsteres Bild von der Zukunft.

(c) Hagelversicherung

Die drohende Klimakatastrophe als das beherrschende Thema dieser Tage dränge die Ernährungssicherheit, die viel zu wenig beachtet werde, zu Unrecht in der Hintergrund, sagt Ferdinand Lembacher, Generalsekretär der Landwirtschaftskammer. Die Studie zeige auf, dass volle Regale und regionale Produkte keine Selbstverständlichkeit seien. „Es gibt kein Schlaraffenland, von wo wir uns den Ersatz holen können“, warnt Lembacher. Man werde von der nächsten Regierung fordern, die Ernährungssicherheit als Staatsziel aufzunehmen. Es wäre hoch an der Zeit, für die Sicherheit unserer Lebensmittelversorgung sowie den Bodenschutz eine 15a-Bundesverfassungsgesetz-Vereinbarung zu schließen. Andernfalls drohe Österreich die Abhängigkeit von „klimaschädlichen Importen“ und in der Folge eine Vernichtung der Arbeitsplätze in der heimischen Landwirtschaft.

Auch die Raumordnung müsse zwischen Bund, Ländern und Gemeinden besser koordiniert werden, verlangt die Kammer. Kritik gibt es von Lembacher auch für die Verkehrslobby, die den Fokus bei Klimaschutz fälschlicherweise auf die Landwirtschaft gelegt habe. Als Beispiel nannte er die in den Medien allgegenwärtige Schnitzeldiskussion. Dabei haben die von der Landwirtschaft ausgehenden Emissionen seit 1990 um 15 Prozent abgenommen, die des Verkehrs jedoch um 70 Prozent zugenommen, sagt Lembacher. Eine im Zuge des Wahlkampfs geforderte CO2-Steuer lehnte der Generalsekretär der Landwirtschaftskammer ab. Durch eine solche würden Menschen in entlegenen Regionen eindeutig benachteiligt.

(c) Hagelversicherung

Die Landwirtschaft sei ein Opfer des Klimawandels, behauptet Kurt Weinberger, Chef der Hagelversicherung. Aber auch die rasant voranschreitende Verbauung des Bodens habe eine extreme Auswirkung auf die Lebensmittelsicherheit. Bei den Kartoffeln gibt es derzeit einen Selbstversorgungsgrad von 80 Prozent. In 30 Jahren könnte der Inlandsverbrauch von jährlich 813.000 Tonnen nur mehr zu einem Drittel gedeckt werden, wenn die Fehlentwicklungen nicht sofort abgestellt werden, so Weinberger. Auch wenn der gegenwärtige tägliche Bodenverbrauch auf knapp zwölf Hektar reduziert werden konnte, sei man vom 2002 festgelegten Ziel von 2,5 Hektar noch weit entfernt. 40 Prozent dieser Flächen fallen der Versiegelung zum Opfer.

Umdenken bei Kommunalsteuer gefordert

„Vom Beton kann keiner runterbeißen“, macht der Chef der Hagelversicherung die Brisanz deutlich. Österreich verliert jährlich 0,5 Prozent seiner Agrarflächen, Deutschland und Schweiz kommen beim Bodenverbrauch mit der Hälfte aus, Tschechien mit gar nur 0,17 Prozent. Auch die höchste Supermarktfläche pro Einwohner ist ihm ein Dorn im Auge und nennt Dänemark als Best-Practise-Beispiel. Dort dürfen neue Supermärkte nur mehr auf bereits bestehenden Flächen und nur in die Tiefe und Höhe errichtet werden.

»„Im Marchfeld könnte sich die Ernte durch die zunehmende Hitze und Trockenheit sogar um die Hälfte reduzieren“«

Andreas Baumgarten, AGES

Deshalb fordert Weinberger ein Bündel an Maßnahmen. Es müsse mehr Schutz für landwirtschaftliche Flächen auch bei Infrastrukturprojekten durch eine Prüfung von mehreren Umsetzungsvarianten geben. Heute sei es kein Kriterium für eine Genehmigung von neuen Projekten, wie viel Produktionsfläche verloren gehe. Auch soll die Kommunalsteuer, die immer wieder zu Interessenskonflikten und einem „Kirchturmdenken“ führe, auf eine „höhere Ebene“ geführt werden, verlangt Weinberger. Weiters werde von der Politik ein klares Bekenntnis zum Ausbau des öffentlichen Verkehrs gefordert. Dort solle man ebenso Überlegungen anstellen, mit welchen Anreizen man die 40.000 Hektar leerstehenden Flächen reaktivieren könnte.

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