Kritik

Kosmos Theater: Per Anhalter unterwegs zum finalen Überschlag

(c) Bettina Frenzel/Kosmos Theater
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„Rule of Thumb“ im Kosmos Theater ist ein kunstvolles Episodendrama.

Eine tolle österreichische Erstaufführung gab es am Mittwoch im Kosmos Theater in Wien zu sehen: „Rule of Thumb“, eine Art Road Movie, das in 85 Minuten abläuft wie ein Film in idealer Länge. Der preisgekrönte Text der Dramatikerin Iva Brdar ist lyrisch-engagiert, mit leichten Einschlägen des Absurden, die gut zur Zerrissenheit Europas passen. Die Film- und Theaterregisseurin Nina Kusturica hat das Kammerspiel schnörkellos inszeniert. Eingängig simpel ist auch das Bühnenbild von Selina Traun und Sebastian Doplbaur: Diagonal zieht sich durch den Raum eine auch als Screen dienende Wand aus gewelltem Kunststoff.

Aus einer Klappe klettern dort drei Protagonisten in Schwarz und Rot. Sie tragen Rollschuhe, spielerisch gleiten sie dahin, entwickeln wie im Tanz ihre Story: Claudia Kainberger, Marie Noël und Thomas Kolle wechseln sich in den Rollen von Anna, Monika und mehreren Männern auch ab. Assistierend ist Rana Farahini (alias Fauna) dabei. Sie hat ein Textbuch bei sich, bedient die Technik für den Sound und singt herb Elegisches.

Der erste Videoclip, der eingespielt wird, lässt Tragik ahnen: Ein Auto schleudert dahin, überschlägt sich mehrfach. Man hört eine Frauenstimme: „Ich steige aus.“ Das Leben sei schön, es existiere Hoffnung. Doch davon sieht man nicht viel, sondern in Rückblende, wie zwei junge, offenherzige Frauen per Anhalter nach Südosteuropa unterwegs sind. Wie wird die Reise mit all den zufälligen Bekanntschaften enden? Sind die Heldinnen verloren in einer kalten, berechnenden Welt? Im Finale wirkt ein Clip fast wie Horror. Schließlich die Auflösung, eine Schleife zurück zum Unfall, den man anfangs sah. Langer Applaus. (norb)

("Die Presse", Print-Ausgabe, 11.10.2019)

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