EU-Parlament

Neue Kommission: Abgelehnt

Sylvie Goulard konnte auch bei ihrer zweiten Anhörung im Europaparlament am Donnerstag keine Mehrheit überzeugen.
Sylvie Goulard konnte auch bei ihrer zweiten Anhörung im Europaparlament am Donnerstag keine Mehrheit überzeugen.(c) AFP
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Mit dem Nein zu Frankreichs Kandidatin Goulard verschärft das EU-Parlament den schwelenden Konflikt mit Präsident Macron.

Brüssel. 82 zu 29: Klarer hätte die Mehrheit gegen Frankreichs Kandidatin für die nächste Europäische Kommission am Donnerstagnachmittag im Europaparlament kaum ausfallen können. Denn nur ihre eigenen Abgeordneten der liberalen Fraktion „Renew Europe“ stimmten für Sylvie Goulard, die zuletzt Vizegouverneurin der französischen Notenbank war.

Aussichtslose Verteidigung

Ein zweites Mal musste sie zur Aussprache mit den Abgeordneten dreier Ausschüsse im Parlament antreten. Doch auch bei ihrem „Nachsitzen“ gelang es der früheren Europaabgeordneten und kurzzeitigen Verteidigungsministerin nicht, die Zweifel an ihren einstigen sechsstelligen Nebeneinkünften für das Berggruen Institute, einen US-Thinktank, zu zerstreuen; Nebeneinkünfte, die sie für keine erkennbaren Gegenleistungen erbrachte, und das noch dazu parallel zu ihrem Amt als Abgeordnete.

Goulards zweites Problem waren Ermittlungen wegen der Verwendung von Zulagen für Parlamentsassistenten im Jahr 2017, die zu ihrem Rücktritt als Verteidigungsministerin nach nur einem Monat im Amt geführt hatten. Die Frage, warum sie als französisches Kabinettsmitglied untragbar sei, nicht aber als EU-Kommissarin, konnte sie nicht schlüssig beantworten. „Wenn ich nun Gegenstand von Ermittlungen würde, würde ich eine Diskussion mit der Präsidentin haben, weil das eine politische Entscheidung ist“, versuchte Goulard den Abgeordneten klarzumachen, dass es sich hier um eine politische, nicht eine juristische Entscheidung handle. „Wenn wir einen Automatismus zwischen dem Beginn einer Untersuchung und einem Rücktritt herstellen, schaffen wir ein Problem für die Unabhängigkeit der Kommission.“

Ein bedenkenswertes Argument, vor allem im Lichte der politischen Einflussnahme auf die Strafjustiz in manchen Mitgliedstaaten – aber keines, das Goulards Kandidatur retten konnte.

EVP: „Wir killen sie“

Wen Frankreichs Präsident, Emmanuel Macron, nun an ihrer Stelle nominieren wird, ist offen. Er versucht, die Verantwortung für dieses Fiasko auf Ursula von der Leyen zu schieben, die designierte Präsidentin dieser Kommission: „Ich habe drei Kandidaten vorgeschlagen“, sagte er am Donnerstag bei einer Pressekonferenz. „Von der Leyen wollte mit Sylvie Goulard arbeiten. Von der Leyen hat die Fraktionsvorsitzenden angerufen. Sie waren einverstanden. Ich muss das jetzt erst verstehen.“

Der Hintergrund dieser Ablehnung, die nun das Antreten der Kommission am 1. November infrage stellt, ist klar: Manfred Weber, Fraktionschef der Europäischen Volkspartei (EVP), sann seit jenem Moment auf Rache an Macron, als dieser die Nominierung von der Leyens lancierte und somit Webers Anspruch, Kommissionspräsident zu werden, versenkte. Dabei passierten der EVP am Donnerstag einige Pannen. So verschickte sie via Twitter einen Screenshot mit einem früheren Abstimmungsergebnis, auf dem im Hintergrund ein EVP-interner WhatsApp-Chat zu sehen war: „Leute, wir killen sie später bei der Abstimmung, aber sagt bis dann nichts“, war da zu lesen.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 11.10.2019)

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