Literaturnobelpreis

Olga Tokarczuk: Diese Polin reist zurück – in altösterreichische Welten

Mixt Mythos und Historie: Olga Tokarczuk.
Mixt Mythos und Historie: Olga Tokarczuk.(c) Getty Images (Ulf Andersen)
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Die Bücher der 57-jährigen Olga Tokarczuk führen meist in osteuropäische Vergangenheit – und oft ins Habsburgerreich.

Man könnte sagen, dass der Literaturnobelpreis noch nie so österreichisch war wie heuer – nicht einmal als Elfriede Jelinek ihn erhalten hat. Die neben Handke zweite Ausgezeichnete nämlich, die viel reisende Polin Olga Tokarczuk, hat in ihren Büchern eine Lieblingsreise: zurück in die polnische Vergangenheit und damit in eine multikulturelle osteuropäische Welt, die viel mit der österreichischen Monarchie zu tun hat. Wenn das Nobelpreiskomitee bei seinen unergründlichen Entscheidungen mit Tokarczuk nicht nur Literatur, sondern auch eine „Botschaft“ auszeichnen wollte, dann liegt sie wohl hier. Tokarczuks Bücher sind immer auch indirekt ein Plädoyer für eine kulturell gemischte, bunte Welt. Im Buch „Unrast“, das verschiedenste Textsorten, Historisches mit scheinbar Unerklärlichem mischt und 2018 mit dem Man Booker International Prize ausgezeichnet wurde, begegnet man Vielreisenden verschiedenster Zeiten – ihnen gehört Tokarczuks Sympathie.

Magischer Realismus nach der Wende

Rein literarisch ist die Wahl Tokarczuks nicht unbedingt nachzuvollziehen – zumindest nicht, wenn die Schöpfung neuer Sprachwelten ein Kriterium für große Literatur ist. Die 57-jährige Polin wurde in den Jahren nach dem Ende des Kommunismus bekannt und gehört neben Andrzej Stasiuk zu den bekanntesten polnischen Autoren der Nachwendezeit. Überraschend an ihren Büchern ist vor allem die Welt, von der sie erzählt. Sie mischt darin historische Genauigkeit mit fantastischen Elementen zu einem magischen Realismus, der ihr auch den Vergleich mit Gabriel García Márquez eingebracht hat. Im Roman „Ur und andere Zeiten“ etwa erzählt sie vom Leben zweier Familien im Dorf Ur zwischen 1918 und 1980. Dieser Ort wird von Erzengeln bewacht und hat überhaupt viel Mythisches, auch wenn historische Ereignisse auf ihn einwirken. In dieser kleinen Welt spiegelt sich die große – das Parabelhafte zieht sich durch Tokarczuks Werk.

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