Psychologie

Mitfühlender Partner erleichtert Leid

Die Schmerzschwelle und die Schmerztoleranz waren bei Versuchsteilnehmern erhöht, wenn der Partner anwesend war.
Die Schmerzschwelle und die Schmerztoleranz waren bei Versuchsteilnehmern erhöht, wenn der Partner anwesend war. (c) Getty Images/EyeEm (Andrea New / EyeEm)
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Menschen ertragen mehr Schmerz, wenn die geliebte Person im Raum ist. Das bestätigt einmal mehr, dass Schmerzempfinden von sozialen Faktoren beeinflusst wird.

Mit dir an meiner Seite halte ich alles aus. Schwüre solcher Art geben sich Liebespaare immer wieder. Gesundheitspsychologen der Privatuni Umit in Hall in Tirol konnten nun wissenschaftlich belegen, dass die reine Anwesenheit des Liebespartners tatsächlich dazu führt, dass man Schmerzen besser aushält (Scandinavian Journal of Pain, 21. 8.).

48 heterosexuelle Paare mit einem Durchschnittsalter von 25 Jahren, die im Schnitt seit 3,2 Jahren zusammen waren, nahmen an dem Versuch teil: Jeder wurde einmal allein in den Raum gebeten und einmal gemeinsam mit dem Partner. Dieser durfte aber nicht interagieren, kein Berühren, gutes Zureden, Trösten oder Ähnliches waren erlaubt. „Es ging nur darum, ob die Anwesenheit des geliebten Partners einen Unterschied macht“, sagt Stefan Duschek vom Institut für Psychologie der Umit.

Frühere Studien hatten bereits gezeigt, dass Menschen mehr Schmerzen ertragen, wenn ihr Partner oder andere geliebte Personen mit Worten beistehen, die Hand halten oder trösten. In dem Gebiet gibt es auch widersprüchliche Ergebnisse: US-amerikanische Psychologen zeigten etwa, dass sogar das Betrachten des Fotos von geliebten Menschen hilft, das Schmerzempfinden zu senken, während eine andere US-Gruppe fand, dass bei Frauen die Sensitivität für Schmerz anstieg, sie also Schmerzen stärker fühlten, wenn eine gute Freundin im Raum war.

Druck auf den Fingernagel

„Das wollten wir nun klären und auch die Bedeutung der Empathie untersuchen, die der eine Partner dem anderen entgegenbringt“, so Duschek. Die Probanden bekamen mit einem Gerät namens Algometer einen Druck auf den Fingernagel ausgeübt, der sich wie ein immer schwerer werdendes Gewicht anfühlt. Die Schmerzschwelle ist individuell, manche nennen schon ab einem Kilo das Gefühl nicht mehr „Druck“, sondern „Schmerz“. Menschen mit hoher Schmerzschwelle sagen erst bei zwei oder drei Kilo, dass es wehtut. Dann wird der Druck weiter erhöht, bis die Schmerztoleranz erreicht ist, also die Grenze des Erträglichen, bei der der Proband bittet, das Experiment abzubrechen, was bei Männern (allein im Raum) im Schnitt bei 6,5 Kilo der Fall war, bei Frauen bei vier Kilo.

„Sowohl die Schmerzschwelle als auch die Schmerztoleranz waren bei den Teilnehmern erhöht, wenn der Partner im Raum war. Besonders deutlich war das Ergebnis dann, wenn der beobachtende Partner sich selbst als empathisch einstufte“, beschreibt Duschek.

Je mitfühlender und einfühlsamer der Partner ist, umso besser hält man selbst Schmerzen aus. Damit bestätigten die Tiroler ein amerikanisches Ergebnis, bei dem Frauen umso schmerzunempfindlicher waren, je empathischer der Ehemann war, der ihre Hand während der Tortur hielt. Dass die reine Präsenz des oder der Geliebten ebenso wirksam ist, macht die Tiroler Forscher neugierig auf weitere Experimente: Aus biologischer Sicht soll nun auch untersucht werden, was im Gehirn passiert.

Funktionelle Bildgebung kann sichtbar machen, in welcher Hirnregion die Modulation der Schmerzempfindung geschieht. Und die psychologische Perspektive soll über andere Fragebögen weiter erforscht werden: Wie wirkt sich die Qualität der Beziehung auf die Schmerzlinderung aus, welchen Einfluss hat das Bindungsverhalten, also ob jemand leichter eine vertrauensvolle Beziehung eingeht oder ob er eher bindungsängstlich ist?

„Schmerz ist eine subjektive Empfindung, deren Intensität von vielen Faktoren abhängt“, sagt Duschek. Die Stärke des Auslösers – sei es Druck, eine Verletzung oder eine Entzündung – ist nicht die einzige Einflussgröße.

Emotionen steuern Empfinden

„Es spielt auch eine Rolle, wie es mir zu dem Zeitpunkt geht, ob ich die Situation als bedrohlich oder sicher empfinde und ob ich mich sozial geborgen oder allein gelassen fühle“, zählt Duschek auf.

Sein Team in Tirol forscht hauptsächlich zu klinischen und chronischen Schmerzen: „Hier ist die Situation komplexer. Wenn eine Person z. B. chronische Rückenschmerzen hat, wird es nicht reichen, dass der Partner Verständnis und Empathie zeigt, sondern da geht es auch darum, den Partner zu motivieren, dass er aktiv bleibt und so weit wie möglich am normalen Alltag teilnimmt. Man kann helfen, den anderen von den Schmerzen abzulenken.“

Lexikon

Empathie ist der Fachbegriff für das Einfühlungsvermögen und bezeichnet die Fähigkeit, in anderen Menschen Gefühle, Gedanken und Motive zu erkennen und nachzuempfinden. Ausdruck von Empathie sind etwa Mitleid, Trauer und Hilfsbereitschaft. Je besser die Selbstwahrnehmung funktioniert, umso genauer kann jemand auch die Gefühle und Intentionen anderer erkennen.

In der Entwicklung entsteht Empathie etwa am Ende des zweiten Lebensjahres, wobei man bei Babys und Kleinstkindern von „Gefühlsansteckung“ spricht.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 12.10.2019)

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