Junge Forschung

Atome wie Billardkugeln schubsen

Toma Susi kam 2013 an die Universität Wien: Mithilfe des hochpräzisen Elektronenmikroskops entwirft er atomare Strukturen für Nanomaterialien.
Toma Susi kam 2013 an die Universität Wien: Mithilfe des hochpräzisen Elektronenmikroskops entwirft er atomare Strukturen für Nanomaterialien.(c) Die Presse (Clemens Fabry)
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Der Physiker Toma Susi nutzt präzise Elektronenstrahlen, um einzelne Atome in einer festen Struktur zu verschieben. Seine Arbeit im Labor sieht oft wie ein Computerspiel aus.

Bereits mit elf oder zwölf Jahren wusste Toma Susi, dass er einmal Physiker werden möchte. „Meine Mutter hat mir schon als Sechsjährigem Science-Fiction-Bücher gekauft, und in meiner finnisch-russischen Schule in Helsinki hatte ich das Glück, eine gute Mathematik- und Physiklehrerin zu haben“, erzählt Susi, der 2013 durch das Lise-Meitner-Programm des Wissenschaftsfonds FWF an die Universität Wien gekommen ist. „Vor sechs Jahren konnte ich kein Wort Deutsch, aber Schwedisch und Englisch haben mir als Basis gut geholfen beim Erlernen der Sprache“, sagt Susi in fließendem Deutsch.

„Es war keine schwere Entscheidung, nach Wien zu kommen: Ich kannte aus meinem Doktorat in Helsinki schon gute Kollegen hier, und für eine wissenschaftliche Karriere muss man mindestens einmal ins Ausland gehen“, erzählt Susi (der Nachname bedeutet auf Finnisch „Wolf“).

Zudem fuhr die damalige Regierung in Finnland einen strengen Sparkurs, und die Wissenschaftspolitik trieb viele junge Wissenschaftler ins Ausland, wo es bessere Bedingungen für die Forschung gibt. An der Fakultät für Physik fühlte sich Susi schnell wohl in Wien, wo er zuerst als Postdoc und nun als Assistenzprofessor seine eigene Gruppe aufbauen konnte. Vor zwei Jahren erhielt er den renommierten ERC Starting Grant des europäischen Forschungsrates, der über fünf Jahre mit insgesamt 1,5 Millionen Euro dotiert ist.

Hier in Wien entdeckte Susi in einer internationalen Zusammenarbeit, dass manche Atome, die sie im hochgenauen Elektronenmikroskop betrachten, kleine Sprünge vollführen. Bislang ging man davon aus, dass Atome in ihrer Struktur festsitzen, doch diese minimalen Bewegungen konnten durch Computersimulationen erklärt werden: In der flachen, zweidimensionalen Kohlenstoffschicht namens Graphen können Fremdatome, z. B. Silizium, wie Billardkugeln angeschubst werden. Susis Team nutzt nun ein hochpräzises Rasterdurchstrahlungselektronen-Mikroskop (STEM) auf der Sternwarte in Wien Währing, um Fremdatome im Graphen zielgenau herumzuschubsen: „Wir schießen Elektronen auf ein Kohlenstoff-Atom, um ein benachbartes Silizium-Atom zu bewegen. Das ultimative Ziel sind atomare Strukturen, die wir für die Materialwissenschaft und Nanotechnologie entwerfen.“

Was höchst abstrakt klingt, macht der finnische Forscher auch gern praktisch sichtbar für interessierte Laien: Auf der Website „Atom Tractor Beam“ der Uni Wien kann man ein Simulationsspiel aufrufen, um sich selbst als atomarer Designer auszuprobieren. Durch einen simulierten Elektronenstrahl kann man die Position von Atomen manipulieren. Das gleiche Simulationsspiel ist auch für Besucher des Technischen Museums Wien zugänglich: Die Mitmachstation ist derzeit Teil der Sonderausstellung „weiteredacht: Arbeit & Produktion“ und zeigt mit 50-millionen-facher Vergrößerung, wie Silizium-Atome im Graphenmuster verschoben werden. „Wir Forscher sitzen ja auch nicht direkt im Raum des Elektronenmikroskops, sondern steuern die hochpräzise Technik von einem PC in einem Nebenraum aus, um die sensiblen Geräte nicht zu stören. Unsere tägliche Arbeit sieht also quasi aus wie ein Computerspiel, und mithilfe der Wirtschaftsagentur Wien konnten wir das umsetzen“, sagt Susi.

Der Finne schätzt die Sauna

Wenn er eine Pause von der Computer- und Laborarbeit braucht, geht der 36-Jährige gern tanzen, klettern und wandern. „Früher bin ich auch viel laufen gegangen, aber inzwischen komme ich nicht mehr regelmäßig dazu.“ Und ein Klischee kann der Finne nicht widerlegen: „Am liebsten gehe ich in die Sauna. Es gibt hier gute öffentliche Saunas in Wien, aber ich musste mich daran gewöhnen, dass die Aufguss-Kultur komplizierter ist als in Finnland.“ Auf die Frage, ob es ihn wieder in seine Heimat zurückzieht, schmunzelt Susi: „Das Wetter und das Klima in Wien sagen mir mehr zu als das in Finnland. Aber wenn es mit der Klimaerwärmung so weitergeht, hat Helsinki 2050 ein ähnliches Klima wie Wien jetzt.“

Zur Person

Toma Susi wurde 1983 in Finnland geboren und studierte an der Aalto-Universität in Helsinki Nanomaterialien. Seit 2013 forscht er an der Uni Wien in der Arbeitsgruppe Physik Nanostrukturierter Materialien und nutzt dazu das hochpräzise Rasterdurchstrahlungselektronen-Mikroskop (STEM) im Labor auf der Sternwarte in Währing. 2017 erhielt er den mit 1,5 Mio. Euro dotierten ERC Starting Grant.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 12.10.2019)

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