Filmtipps

Handkes Heimat und seine Liebe zum Kino

Zero One Film
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Peter Handke ist ein Cinephiler – und hat diese Liebe auch als Drehbuchautor und Regisseur praktiziert. „Die Presse“ empfiehlt Filme von, mit und über Peter Handke.

Griffen

Von Bernd Liepold-Mosser, 2012

„Ich habe keine Heimat. Meine Heimat sind diese Bücher“: Dieses Zitat aus Peter Handkes „Das Gewicht der Welt“ stellt Regisseur Liepold-Mosser, wie Handke in Griffen geboren, seiner ruhigen, aber intensiven Dokumentation über diesen Kärntner Ort voran. Als Leitmotiv durchzieht sie das künstliche Volkslied, das in „Wunschloses Unglück“ Handkes Mutter mit „narrensicher imitierter Melancholie“ singt: „Verlassen, verlassen, wie ein Stein auf der Straßen . . .“ Als „Spinner“, „eigenartig“, „totalen Außenseiter“ beschreiben Interviewte ihren berühmten Landsmann, einer erinnert sich an das störende Klimpern der Schreibmaschine unterm Nussbaum, ein anderer versteht nicht, dass jemand, der nie Fußball gespielt habe, einen Roman namens „Die Angst des Tormanns vor dem Elfmeter“ schreibt. Auch Handkes Bruder kommt vor, er erklärt stolz, er habe „nit a Buch“ gelesen, das sei „vü zu schwer“ für ihn. Nach dieser Reise durch Griffen versteht man wieder einmal, wie fremd man sich in der Heimat fühlen kann, wie fremd sich der junge Handke dort gefühlt haben muss. Umso berührender sind die Passagen, in denen von Heimatbesuchen Handkes die Rede ist, von Schnapsen, Schwammerln, Schule. Langsame Heimkehr? Seltsame Heimkehr. (tk)

3 amerikanische LP's

Von Wim Wenders, 1969

Peter Handke habe ihn „auf Schiene gesetzt“, meinte Wim Wenders in einem „Presse“-Interview. Initialzündung ihrer bis heute währenden Kreativpartnerschaft war ein Kurzfilm, in dem die Seelenverwandten ihre Sehnsucht nach dem Freiheitsversprechen Amerikas auf triste bayrische Landstriche projizierten. Das Medium: „3 amerikanische LP's“. Van Morrison, Harvey Mandel und „Klierenz Klierwoter Rieweiwel“ (so die kärntelnde Off-Stimme Handkes): Musik „wie ein störungsfreier Flug über die Alpen“ als Anker in der Alltagswüstenei. Eine rare 16mm-Miniatur, die aktuell auf der Video-Plattform Vimeo herumgeistert. (and)

Die Angst des Tormanns beim Elfmeter

Von Wim Wenders, 1972

Handke trug seine frühe Erfolgserzählung selbst an Wenders heran, dessen werkgetreue Leinwandadaption einen Karrieregrundstein legte. Schon hier ist die Quintessenz von Wenders' Schaffen gefasst: Ein Drifter neben der Gesellschaftsspur (Rüdiger Vogler) auf abschweifender Suche nach einer Ahnung von Glück; Landschaft, Leerlauf, Melancholie. Spätere Kooperationen mit Handke variierten diese Motive: Mal als mäandernde Goethe-Hommage („Falsche Bewegung“), mal als metaphysische Stadtfantasie („Der Himmel über Berlin“). Letztere wurde in Cannes mit dem Regiepreis bedacht und zeitigte 1998 ein Hollywood-Remake mit Nicolas Cage und Meg Ryan („Stadt der Engel“). Von Handkes lyrischem Textfundament für den Ursprungsfilm blieb darin freilich kaum etwas erhalten. (and)

Die schönen Tage von Aranjuez

Von Wim Wenders, 2016

Das Überraschendste an der fünften Handke-Wenders-Zusammenarbeit war bei der Venedig-Premiere vor drei Jahren ihr 3-D-Format. Basis des Films ist ein „Sommerdialog“ des Autors, der 2012 bei den Wiener Festwochen uraufgeführt wurde. Ein Mann, eine Frau, ihr poetisches Aneinandervorbeireden über die (Un-)Möglichkeit der Liebe. Der Originaltext wurde von Handke auf Französisch verfasst, Wenders' Film bleibt dabei. Reda Kateb gibt „L'homme“, Handkes Gattin Sophie Semin „La femme“ – Schöpfungen eines Schreibers, der in Rahmenszenen seine Jukebox tönen lässt. Hauptschauplatz: eine Weinlaube vor einem Anwesen über den Dächern von Paris. Bonus-Schmankerl für Handke-Fans: Der Literat lässt sich als „Gärtner“ blicken. (and)

Die linkshändige Frau

Von Peter Handke, 1978

Versuch, sich an Handkes Filmregie-Debüt aus dem Jahre 1978 zu erinnern: Edith Clever (oder war es Angela Winkler?) steht sinnend auf einem Bahnhof, mit einem Gesichtsausdruck, den der in die Jahre gekommene neue deutsche Film liebte. Edith Clever (oder war es Angela Winkler?) gießt sich Tee ein. Irgendwo in Paris. Sie ist jetzt Übersetzerin. Sie hat ihren Mann verlassen, der von Bruno Ganz gespielt wird: „Geh weg! Lass mich allein!“ Wahrscheinlich sitzt sie immer noch (oder war es Gérard Depardieu?) verlassen auf einem Bahnhof. Der Tee ist inzwischen kalt geworden. (norb)

Bin im Wald. Kann sein, dass ich mich verspäte

Von Corinna Belz, 2016

Die Regisseurin Corinna Belz hat Handke in dessen Zauberhaus in Chaville besucht, im Südwesten von Paris. Daraus wurde 2016 ein dokumentarisch angereicherter Film, der viele Verehrer des Dichters wohl entzückte. Man sieht den Dichter in dieser Homestory ganz intim, beim Denken, Spazierengehen, Sammeln und Erinnern. Der Bleistift ist stets griffbereit für die nächste Geschichte. (norb)

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