Leichtathletik

Das Ende der Totenkopf-Saga

In Doha schrieb Sifan Hassan, 26, Sportgeschichte. Nun muss sich die Niederländerin eine neue Trainingsstrecke suchen.
In Doha schrieb Sifan Hassan, 26, Sportgeschichte. Nun muss sich die Niederländerin eine neue Trainingsstrecke suchen.(c) APA/AFP/ANTONIN THUILLIER
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Das umstrittene Nike Oregon Project schließt seine Pforten.

Wien/Portland. Im Medaillenspiegel der am Sonntag zu Ende gegangenen Leichtathletik-WM wäre das Nike Oregon Project (NOP) auf Platz fünf gelandet. Zwölf Elite-Läufer leben und trainieren in diesem Leistungszentrum nahe des Nike-Firmensitzes im US-Bundesstaat Oregon, ihr Markenzeichen ist ein Totenkopf. Sieben von ihnen waren in Doha am Start, sie brachten drei Goldmedaillen mit nach Hause, genau so viele also wie das gesamte chinesische Aufgebot. Dazu kamen noch je einmal Silber und Bronze.

Während aber Donavan Brazier (USA) über 800 m siegte und Sifan Hassan (NED) über 1500 m und 10.000 m triumphierte – was vor ihr noch niemandem gelungen war –, wurde Alberto Salazar, der 61-jährige Chefcoach des NOP, wegen Dopingvergehen aus dem Verkehr gezogen. Die US-Anti-Doping-Agentur (Usada) sperrte den gebürtigen Kubaner für vier Jahre, ebenso wie NOP-Arzt Jeffrey Brown, und sprach davon, wie Sportler im NOP als „Versuchstiere“ gedient hätten. Konkret ging es bei den Ermittlungen um die Jahre 2010 bis 2014, im 250-seitigen Urteil ist von hochgradig gefährlichen Medikamenten und verboten hohen Infusionsmengen die Rede.

Nun zog Nike einen Schlussstrich. „Wir haben beschlossen, das Oregon-Projekt zu beenden, damit sich die Athleten auf ihre Trainings- und Wettkampfbedürfnisse konzentrieren können“, teilte das Sportartikelunternehmen mit. Nike betonte aber, dass die Untersuchungskommission nicht festgestellt habe, dass bei NOP-Athleten jemals leistungssteigernde Mittel eingesetzt worden seien. Tatsächlich gibt es bis dato keinen positiven Dopingtest eines NOP-Läufers.

Gegründet wurde das NOP im Jahr 2001, Nike und der ehemalige Marathonläufer Salazar wollten mit modernster Sportwissenschaft die Dominanz der Ostafrikaner auf der Langstrecke brechen. Der Durchbruch gelang 2012. Der Brite Mo Farah gewann in London Olympiagold über 5000 und 10.000 Meter. Mit Platz zwei für Galen Rupp (USA) feierte das NOP über 10.000 Meter einen Doppelsieg. Farah ist als vierfacher Olympiasieger und sechsfacher Weltmeister einer der erfolgreichsten Leichtathleten, dem NOP gehörte er von 2011 bis 2017 an.

Sein Trainer Salazar ist seit jeher umstritten. So hat er etwa auch den später wegen Dopings lebenslang gesperrten Lance Armstrong betreut, als sich dieser nach seiner Radkarriere 2011 auf einen Triathlon vorbereitete. Auch die Rolle von Nike ist nicht geklärt. „Wall Street Journal“ und „Spiegel“ berichteten, dass Salazar das Nike-Management per Mail über Fortschritte mit bestimmten Nahrungsergänzungsmitteln informiert habe.

Nach seiner Sperre vor eineinhalb Wochen hat Salazar alle Vorwürfe von sich gewiesen und Einspruch gegen das Urteil eingelegt. „Wir werden Alberto in seiner Berufung weiterhin unterstützen“, erklärte Nike. Die in Doha erfolgreichen Athleten, darunter Konstanze Klosterhalfen (GER, Bronze über 5000 Meter) betonten, dass sie erst nach dem untersuchten Zeitraum, der Salazar zum Verhängnis wurde, zum NOP gestoßen sind.

Der frühere Salazar-Schützling Kara Goucher (USA) hat als Zeugin gegen ihren Extrainer ausgesagt. Die WM-Zweite von 2007 (über 10.000 m) rief dazu auf, Dopingproben ehemaliger NOP-Athleten wie Mo Farah erneut mit neuesten Methoden zu analysieren.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 12.10.2019)

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