Formel 1

Mattia Binotto: Harry Potter und der Feuerkelch der „Roten Göttin“

Mattia Binotto lächelt milde, Hast und Unruhe sind Ferraris Teamchef fremd.
Mattia Binotto lächelt milde, Hast und Unruhe sind Ferraris Teamchef fremd.(c) imago images/LaPresse (Photo4/LaPresse via www.imago-im)
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Mattia Binotto erinnert wegen seiner Brille an den Zauberlehrling, doch mit Magie hat Ferraris Teamchef wenig am Hut, dabei brauchte er ein Wunder vor dem Japan-GP. Taifun „Hagibis“ drängt das Qualifying auf Sonntag.

Suzuka. Sebastian Vettel und Charles Leclerc streiten und rittern um die Vorherrschaft im Team. Indes werden Sandsäcke rund um das Fahrerlager ausgelegt, Stahlseile gespannt und Lkw zwischen die Motorhomes geparkt, weil „Hagibis“ immer näherkommt. Der Taifun sorgt vor dem Formel-1-GP von Japan für gehörige Sorgen und Verschiebungen, Qualifikation und Rennen (7.10 Uhr, live ORF eins) finden nun am Sonntag statt. Nur Mattia Binotto ist keine Anspannung anzumerken. Ferraris Teamchef mit dem Wuschelkopf und der dick umrandeten Harry-Potter-Brille bleibt vollkommen gelassen.

Nach dem Krach in Russland habe er „positive, konstruktive, ehrliche, faire und transparente“ Diskussionen mit allen Streithähnen geführt, erzählte Binotto, 49, am Rande des Grand Prix von Japan in Suzuka und benutzte auffallend viele Adjektive. Dass es Einzelgespräche waren und keine Dreierrunde, musste man ihm mehr oder minder aus der Nase ziehen. Bei Ferrari hängt weiterhin der Haussegen schief.

„Wir haben die Absicht, die Situation zum Wohl des Teams zu regeln. Wir nehmen uns ein paar Dinge vor, die verbessert werden können“, führte Binotto aus. Zuletzt in Russland hatte sich Vettel einer Anweisung vom Scuderia-Kommandostand widersetzt, Leclerc nach dem Start vorbeizulassen. Er gewann das Rennen, dem Teamfeind war das gar nicht recht. „Was in Sotschi passiert ist, ist nichts Schlimmes. Man muss es aber angehen.“

Die Stallrivalen gehen sich auch weiterhin aus dem Weg. Gespräche übereinander gibt es nur über den Boxenfunk, da ist der Konkurrenzkampf nicht mehr zu überhören. Zank, Schimpf und Schmollen – Binotto muss aktuell auch ein Psychologe sein.

Die Logik eines Stallduells

„Die haben da drüben eine interessante Dynamik“, ätzte Weltmeister Lewis Hamilton. Er muss es wissen, er ist schließlich Experte in Stallduellen und kennt sich bei diesen Dynamiken bestens aus. Als schockgefrostet lässt sich getrost die Beziehung zu Ex-Kollegen wie Nico Rosberg oder Fernando Alonso bezeichnen. Der Finne Valtteri Bottas hingegen akzeptiert sein GP-Schicksal. Binotto wünscht sich in Wahrheit so eine Konstellation, mit einem Alphatier und einem, der brav mitfährt. Nur diese Rolle widerstrebt Leclerc, vor allem nach zwei Saisonsiegen.

Die Zukunft Binottos bei Ferrari entscheidet sich nicht zuletzt in seiner Moderation. Italien erwartet den Titel, zuletzt gewann 2007 Kimi Räikkönen die letzte Fahrer-WM für Ferrari. 2008 gelang der letzte Sieg der Konstrukteurs-WM. Damals war Binotto schon dabei, der 1995 zum Team stieß und als Motoreningenieur an Michael Schumachers Titelserie schraubte. „Ich weiß, dass die Position viel Verantwortung mit sich bringt“, räumte der Nachfolger des am Ende immer finsterer dreinblickenden Maurizio Arrivabene ein, „der Druck kommt aber mehr von außen als von innen“.

Sofern kein Wunder passiert, wird Ferrari wieder keinen Titel gewinnen. Binottos Zauberkünste sind auch enden wollend. Eine Harry-Potter-Brille macht noch keinen Magier, der den Italienern alle Fehler austreibt und die Fahrer auf ein Ziel einschwört. (fin)

("Die Presse", Print-Ausgabe, 12.10.2019)

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