Die kontraproduktiven Folgen der türkischen Militärintervention in Syrien sind absehbar. Sie werden auch Europa betreffen, das trotzdem nur zuschaut.
Recep Tayyip Erdoğan will mit seiner Invasion in Nordsyrien nicht nur verhindern, dass dort die Keimzelle eines kurdischen Staats entsteht, der eine sicherheitspolitische Gefahr für die Türkei darstellen könnte. Es geht ihm auch nicht nur darum, die von ihm als terroristisch bezeichnete Kurdenmiliz YPG zu bekämpfen. Der türkische Präsident verfolgt zudem ein Projekt, das – bei allem Respekt für das, was die Türkei bisher für Flüchtlinge aus Syrien geleistet hat – monströse Züge trägt: Er möchte in den Kurdengebieten jenseits der Grenze eine Sicherheitszone im Umfang von mehr als 14.000 Quadratkilometern schaffen, um bis zu zwei Millionen syrischer Flüchtlinge aus der Türkei hineinzustopfen, egal, aus welcher Gegend sie ursprünglich stammen. In einem zweiten Schritt soll das Areal ausgeweitet werden, um eine weitere Million hinkarren zu können. Und wenn Kurden fliehen, dann offenbar umso besser.
So stellt sich Erdoğan das vor, wie ein Völkeringenieur, der Menschen millionenfach umsiedeln will, um die Zusammensetzung der Bevölkerung in Syriens kurdischen Grenzgebieten nachhaltig zu verändern. Schon jetzt, nach den ersten Tagen der Luftangriffe, sind um die 100.000 Zivilisten in Nordsyrien auf der Flucht. Es sieht ganz danach aus, als wollte Erdoğan das Gebiet nicht nur von kurdischen Milizen säubern, sondern wie Gottes demografischer DJ auch ethnisch neu abmischen.