Spielraum

Reizfigur Markus Rogan

Markus Rogan hilft Teams als Psychologe schon allein mit seiner Anwesenheit, das wurde in der EM-Qualifikation deutlich. Österreich braucht auch so eine Reizfigur.

Man kann zu Markus Rogan stehen, wie man will. Der ehemalige Schwimmer hat Großes erreicht, er gewann zweimal Silber bei den Olympischen Sommerspielen 2004 in Athen. Rogan gewann insgesamt 34 Medaillen und machte das Schwimmen in Österreich mehr als nur salonfähig. Plötzlich gab es Sponsoren, Live-TV, landesweites Interesse. Der Wiener lebte dabei seine Rolle als intelligenter Ausnahmekönner stets sehr provokant aus. Jeder wusste, dass er studiert hatte, wenngleich er es eigentlich für besser hielt, wenn Sportler „weniger denkfähig“ sind. Es gebe schließlich einen guten Grund, „warum richtig gute Sportler nicht viel im Kopf haben, weil da ist der Kopf nicht im Weg“.

Er empörte Österreich, und insgeheim begeisterte er das Land, weil man Sportler gemeinhin gern als „dumm“ abkanzelt. Rogan hatte auch immer etwas zu sagen, zu allem. Eloquent, versiert – jedoch nicht immer punktgenau.

Rogan, der heute als Psychotherapeut arbeitet, mit seiner Familie in Los Angeles lebt und bei diversen Teams – Brasiliens Schwimmern oder Israels Fußballern – als Sportpsychologe auftaucht, hat jedoch seine Lektion gelernt. Er wurde in Österreich angefeindet, beschimpft, verflucht, von einer Skigröße bei dessen Sponsor gar als „Trittbrettfahrer“ tituliert. Bei der Schwimm-WM in Rom 2009 wurde er von Securities schwer verprügelt und dafür in der Heimat von manchem ausgelacht. Jetzt warf er sich für Israels Fußballer und deren Anhängerschaft mit Motivationen so impulsiv ins Zeug, dass er sich tatsächlich den Zorn seiner Landsleute zuzog. Dabei: Er hat doch nur seinen Job gemacht. Und zwar sehr gut.

Reizfiguren sind das Salz in der oft schalen Suppe der Sport- und Entertainmentbranche. Es bedarf solcher Typen, Figuren und Kontrahenten. Sie erregen Aufmerksamkeit und stiften Verwirrung. Allein die Reaktionen von Aleksandar Dragović oder Julian Baumgartlinger nach dem Abpfiff des Israel-Spiels zeigten, wie wertvoll einer wie Rogan sein kann. Er ging den ÖFB-Kickern beim Hinspiel wohl derart auf Geist und Nerven, dass Konzentration und Psyche unweigerlich gelitten haben müssen. Er war für sie ja selbst auch in Wien noch, Monate später, ein rotes Tuch. Das mag zwar den beiden letzten Endes auch geholfen haben, sich auf eine Aufgabe gemeinsam einzuschwören. Viel hätte offenbar nicht gefehlt – allein seine Anwesenheit schien á la Destructivus („Asterix & Obelix“) die Weißglut zu befeuern –, und man hätte wieder Faden, Rhythmus und Spiel verloren.

Gibt es denn keinen, der sich im ÖFB-Team, gut geschult und innovativ im Gedanken, dem Faktor Psyche, der mentalen Komponente annimmt? Der unterdrückte Reize offen anspricht und Problemzonen glättet, ehe sie im Spiel aufbrechen könnten? Womöglich hätte der eine oder andere Spieler durchaus auch etwas zu erzählen.

Jetzt wären Gespräche dieser Art womöglich nicht komplett falsch. Das legten die Aussagen der Spieler nach dem 3:1-Sieg und der wieder offenen Tür in Richtung EM 2020 jedenfalls nahe. Ihre Freude, es Rogan „gezeigt zu haben“, überwog beinahe die Euphorie, der EM einen großen Schritt näher gekommen zu sein. Und damit hätten sie dann letzten Endes doch sehr weit über das Tor geschossen.

markku.datler@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 13.10.2019)

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