Walk of Häme

Dieses alte Suhrkamp-Taschenbuch

Oder: Warum der Nobelpreis unser Bücherregal durcheinanderbringen könnte.

Na ja, was soll man als Österreicher schon viel anderes sagen zur Verleihung des diesjährigen Literaturnobelpreises (gewinnen tut man diesen nämlich – zumindest in deutscher Sprache – nicht) als: Hurra! Mit Peter Handke trifft es sicher keinen Ungeeigneten, um es einmal bewusst emotionsneutral zu formulieren. Egal, wie man zu seinen politischen Aussagen steht, der Wahlpariser ist längst Bestandteil der Weltliteratur, da wird niemand widersprechen können.

Trotzdem hat uns überrascht, dass nach Nobelpreis-Skandal samt Nichtverleihung im vorigen Jahr und dann angekündigter Quasi-Neugründung (in Stockholm hat man zumindest nicht gefunden, dass der Weg schon stimmt) eine Entscheidung getroffen wurde, die man die vergangenen vierzig Jahre auch schon hätte treffen können. Aber natürlich kann man 2019 auch die Avantgarde der 1960er-Jahre auszeichnen, warum denn auch nicht. Was an neuen Autorinnen und Autoren so spannend ist, überlegt man sich dann eben in Ruhe bei der Preisverleihung 2069.

Unser Peter Handke jedenfalls ist nicht so sehr dieser Dichterdarsteller in einem Filmset-reifen Garten (verwunschen nennt man das dann inflationär) mit wildem Haar und randloser Denkerbrille, wie ihn das aktuelle Bildmaterial zeigt, sondern viel eher ein körniges (das ist so etwas wie pixeln) Schwarz-Weiß-Portrait auf einem vergilbten grünen, roten oder blauen Suhrkamp-Taschenbuch. Nur „Wunschloses Unglück“ war ganz sicher braun.

So haben wir Handke und auch Thomas Bernhard im Deutschunterricht und auf der Uni dargereicht bekommen zwischen lauter gelben Reclam-Heften. Und Bernhard war natürlich deutlich süffiger zu lesen für den Heranwachsenden als der dann schon etwas spröder werdende Handke. Der uns, um da ganz offen zu sein, auch später nicht so voll und ganz für sich einzunehmen vermochte.

Doch dazu sind Auszeichnungen wie der Nobelpreis für Literatur ja schließlich da, um zum Wiederlesen und Neuentdecken zu animieren. Also nehmen wir demnächst (besser heute schon als morgen) wieder eines dieser alten Suhrkamp-Taschenbücher aus dem Regal, die dort Jahrzehnte überdauert haben, und schauen gespannt, ob der Text nun nicht doch auf uns wirkt – jetzt, da wir wissen, dass ihn ein Nobelpreisträger verfasst hat.

florian.asamer@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 13.10.2019)

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:


Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.