Wiener Philharmoniker

Bruckners Achte, die Kaiserin aller Symphonien

Im Musikverein spielen die Wiener Philharmoniker unter Christian Thielemann am Sonntag die achte Symphonie von Anton Bruckner.
Im Musikverein spielen die Wiener Philharmoniker unter Christian Thielemann am Sonntag die achte Symphonie von Anton Bruckner.(c) APA/HERBERT NEUBAUER
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Es scheint ganz natürlich, wenn die Wiener Philharmoniker ausgerechnet mit diesem Werk ihre Streaming-Initiative beginnen.

„Und sieh, woran er gar nicht dachte: Man spielt heut Abend Bruckners Achte“ – man muss bekanntlich sehr berühmt sein, um karikiert zu werden. Bruckners Achte hat es geschafft: Eugen Roth goss sie als Sinnbild der großen, „schweren“ Symphonie in Verse.

Und weil wir auch nicht an Zufälle glauben wollen, nehmen wir's als Selbstverständlichkeit, dass unsere Philharmoniker mit eben dieser Achten in ein neues Zeitalter eintreten. Am Sonntagvormittag wird die philharmonische Matinee nicht nur von Ö1 übertragen, die Aufzeichnung ist weltweit auch bald über den Streamingdienst „idagio“ zu empfangen, der soeben mit dem Orchester eine Partnerschaft eingegangen ist.

Numerische Adelsprädikate. Ab sofort werden Mitschnitte ausgewählter philharmonischer Konzerte auf der Plattform zum Nachhören zur Verfügung stehen. Ergänzt durch „Playlists“ prominenter Mitglieder des Orchesters, die Kenner und Einsteiger in ihre musikalische Welt einführen sollen.

Zum Einstand also „die“ Achte. Nur Beethoven hat es geschafft, gleich mit zwei Symphonien in den Bereich der assoziativen Zahlensymbolik vorzudringen. Wer „die“ Fünfte, „die“ Neunte sagt, der meint die entsprechend nummerierten Beethoven-Stücke. „Die“ Achte, das ist in der Klassik-Mythologie aber unzweifelhaft Bruckners Symphonie. Und sie gilt seit ihrer triumphalen Uraufführung durch die Philharmoniker im Musikverein als Gipfelwerk der symphonischen Form.

Gewiss, die eine oder andere Mahler-Symphonie dauert dann noch länger. Aber da ist die symphonische Form schon geborsten, man musiziert quasi „après“. Höher hinaus als Bruckner kann man nicht kommen.

In dieser Achten, „der“ Achten, ist das von Beethoven eigentlich schon in „der“ Neunten durch die Hereinnahme von Chor und Gesangssolisten gesprengte architektonische Konzept noch einmal in seiner reinen, der instrumentalen Form durch Ausnützung aller statischen Kunstfertigkeit auf die Spitze getrieben.

Der Kaiser und der liebe Gott. Man hat oft darüber spekuliert, warum es Bruckner offenbar unmöglich war, die ähnlich aufwendig konzipierte neunte Symphonie zu vollenden. Das Finale blieb ein gewaltiger, aber vielleicht zu ehrgeizig entworfener Torso. Das Werk sollte „dem lieben Gott“ gewidmet sein, die Dedikation der Achten nahm immerhin Kaiser Franz Joseph huldvoll entgegen – das ging sich gerade noch aus nach dem Maß dieser Welt. Es scheinen ja auch die riesenhaften Dimensionen dieser „kaiserlichen“ c-Moll-Symphonie zwar gewaltig ausgreifend, aber doch fest gefügt.

Das Adagio der Neunten Bruckners mündet hingegen nach gewaltiger Steigerung ins Desaster: Das Ziel wird nicht erreicht, die äußerste Kraftanstrengung stürzt über einer grellen Dissonanz ins Bodenlose. Das Gegenstück in der Achten, für viele Musikfreunde das schlechthin vollkommene Adagio, führt aus äußerster Ruhe über große emotionale Kämpfe zu einem sieghaften Höhepunkt, den zwei (in der Urfassung sechs!) Beckenschläge markieren.

Rund um diesen singulären langsamen Satz ein dramatisches symphonisches Gebilde mit tragischen, ja apokalyptischen Zeichen im ersten Satz („Todesverkündigung“, „Totenuhr“), mit einem „träumenden Deutschen Michel“ im Scherzo und einem „Dreikaisertreffen“ mit Kosakenritt und glanzvollen Fanfarenstößen im Finale, das zu einem einzigartigen C-Dur-Triumph gesteigert wird – ein symphonisches Pandämonium.

Online-Tipp

Im Musikverein spielen die Wiener Philharmoniker unter Christian Thielemann am Sonntag die achte Symphonie von Anton Bruckner.
Live dabei sind Hörer von Ö1 (11.03 Uhr) und die Abonnenten des Streaming-Dienstes idagio, der die Aufnahme dann online verfügbar macht.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 13.10.2019)

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