Noch immer ist der Anteil männlicher Sozialpädagogen verschwindend gering und das Image von Erziehung eine „Frauendomäne“. Es tut sich zu wenig. Besuch in einer Kinder-WG.
Kaum ist die Eingangstür einen Spalt breit geöffnet, drücken sie Kinderhände sperrangelweit auf und zwei Winzlinge poltern in den Gang der Wohnung, ein bunter Rucksack fliegt freundlich durch die Luft, fast stolpern die beiden über ihre eigenen Füße, so aufgeregt sind sie. „Matthias!“, ruft einer der Kinder, und ohne eine Antwort abzuwarten, legt er mit „Matthias!!“ nach, nur eben noch lauter. Matthias Tüchy steht hinter der Türe zur Küche. Er öffnet die Arme, der Bub fliegt ihn regelrecht an. Und gleich will er beginnen, Tüchy von seinem ereignisreichen Vormittag zu erzählen. Der Pädagoge jedoch weist den Buben zum Esstisch, wo ein kleiner Berg Eierspeis auf dem Teller wartet. Zuerst wird gegessen!
Der Esstisch, wo ein paar Kinder bereits Platz genommen haben, füllt eine Seite der großen Wohnküche. Die Wände sind zitronengelb angestrichen, hie und da liegt Spielzeug herum, auf einem Wäscheständer trocknet bunte Kleidung. Gemeinsam mit sechs Kolleginnen betreut Tüchy in dieser Wiener Kinderwohngruppe des SOS Kinderdorfes drei- bis zwölfjährige Kinder. Die Kleinen wohnen hier, werden hier betreut, die Sozialpädagogen sind bisweilen ihre wichtigsten Bezugspersonen, zumal viele der Kinder ihre Eltern – wenn überhaupt – unregelmäßig sehen. Tüchy ist der einzige Mann. „Ich habe mich da schon beliebt gemacht“, lacht er. Das mag an seiner offenen Art liegen. Tüchy weiß aber auch: Der Bub, der ihn vorhin so angeflogen ist, „vermisst sehr seinen Papa.“