Filmrolle

Borhan Hassan Zadeh: Von Pakistan ins Wiener Kino

Seiner Familie hat Zadeh den stellenweise brutalen Film noch nicht gezeigt.
Seiner Familie hat Zadeh den stellenweise brutalen Film noch nicht gezeigt.(c) Die Presse (Clemens Fabry)
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In „Nobadi“ spielt Borhan Hassan Zadeh einen afghanischen Flüchtling. Seine eigene Lebensgeschichte birgt Parallelen – er musste ebenso flüchten.

31 Tage krempelten das Leben von Borhan Hassan Zadeh völlig um. Der 23-Jährige sitzt in einem Café und trink Cappuccino – ein unauffälliger, zurückhaltender Mann in Lederjacke. Es ist noch keine vierzehn Stunden her, dass Zadeh zuletzt auf der Kinoleinwand im Gartenbaukino zu sehen war. Bis zu seinen 31 Tagen Urlaub war Zadeh Servierer in einem Restaurant. Das ist er zwar immer noch – aber eben auch Hauptdarsteller in Karl Markovics' neuem Film.

Seit zwei Tagen ist er zurück im Restaurant. Die Rolle in „Nobadi“, in dem ein alter Mann einen jungen Flüchtling für vier Euro die Stunde schuften lässt, ist Zadehs allererste Filmrolle. „Zwischen den Filmen muss man eben etwas zum Leben haben“, sagt er. „Und jetzt ist ja erst der Anfang.“

Über ein Theaterprojekt für minderjährige Flüchtlinge der Schauspielerin Hilde Dalik kam Zadeh zur Schauspielerei. Das erste Mal stand er für eine Freestyle–Version von Romeo und Julia auf der Bühne, 2014 im Dschungel Wien. „Hilde Dalik hat uns dann erzählt, dass Karl Markovics einen Film macht, und hat gefragt, ob jemand Interesse hat, mitzuspielen“, erzählt er. Acht der jungen Schauspieler gingen daraufhin zum Casting, Druck machte sich Zadeh keinen. „Ich dachte mir: Wenn es geht, dann geht's. Wenn nicht, eben nicht. Und – es ging. „Gott sei Dank“, sagt er heute. „Ich habe so viel gelernt.“

Acht Monate in Traiskirchen

Es sei etwas ganz anderes gewesen, statt auf einer Bühne nun vor der Kamera zu spielen. „Die Bühne gehört einem alleine“, erzählt Zadeh. „Bei Dreharbeiten steht ein ganzes Team neben einem und man muss trotzdem in die Rolle hineinkommen.“ Doch er sei sehr zufrieden mit dem Film. Auch wenn es zuerst gewöhnungsbedürftig gewesen sei, sich selbst auf der Leinwand zu sehen. Schnell habe aber ein anderes Gefühl dominiert: „Ich dachte mir: Endlich habe ich etwas geschafft. Etwas, das ich zeigen kann.“

Seine Rolle weist Parallelen zu Zadehs eigener Geschichte auf. Der 23-Jährige kam als unbegleiteter minderjähriger Flüchtling 2012 nach Österreich. Zadeh wurde in Pakistan geboren, als Jugendlicher floh er zuerst in die Türkei, nach Griechenland, Makedonien, Serbien, Ungarn – und schließlich Österreich. Alleine.

Acht Monate lebte er in Traiskirchen. „Es war eine sehr schwierige Situation“, sagt Zadeh. Die Sprache sei eine Hürde gewesen, aber auch die Kultur. „Es ist schon eine ganz andere Welt in Österreich. Die Leute leben, reden, essen ein bisschen anders.“

Mehr als drei Jahre hatte es schließlich gedauert, bis er seinen positiven Asylbescheid bekam. Dalik habe ihn unterstützt, etwa bei Anwaltsgesprächen und komplexen Unterlagen. Auch der Schauspieler Michael Ostrowski, mit dem sie liiert ist, erschien 2015 zu Zadehs Asylanhörung. Dann die Entscheidung: Positiv. „Heute ist das Leben ein anderes.“

Eigentlich sei Zadehs Ziel gewesen, einmal nach Großbritannien zu gehen. „Dort gibt es nämlich die Castingshow ,The Voice‘“, erzählt er. „Seit meiner Kindheit wollte ich dort auftreten.“ Die Fremdenpolizei durchkreuzte diese Pläne. „Heute denke ich mir: Gott sei Dank bin ich hier geblieben.“

Zadehs Familie, die in Pakistan lebt, hat „Nobadi“ noch nicht gesehen. „Das ist Absicht“, sagt er. Wegen einer bestimmten Szene des stellenweise brutalen Filmes (die hier nicht verraten sei) will Zadeh nicht, dass seine Mutter den Film alleine sieht. „Sonst macht sie sich noch Sorgen“, sagt er.

Bald wird Zadeh wieder vor der Kamera stehen, eine Agentur hat ihn unter Vertrag genommen. Für einen österreichischen und einen amerikanischen Film wurde er bereits engagiert. Viel darf Zadeh noch nicht verraten, aber: Die erste Produktion verbindet eine Fluchtgeschichte mit der Jugendkultur. „Ein junger Mann, der Krieg erlebt hat, nach Österreich kommt und sieht, dass manche Jugendliche Waffen cool finden.“ Der Film aus den USA spiele hingegen in Wien im Jahr 1945. „Eben habe ich dafür das Drehbuch bekommen.“

Der Traum von einem Auftritt auf der Bühne von „The Voice“ wurde übrigens mittlerweile abgelöst. Lieber möchte Zadeh irgendwann von der Schauspielerei leben können, sagt er. „Wer weiß – vielleicht klappt es ja sogar, wenn es so weitergeht.“

Zur Person

Borhan Hassan Zadeh wurde in Pakistan geboren und kam 2012 als unbegleiteter minderjähriger Flüchtling nach Österreich. Nach einem Theaterprojekt wurde er von Regisseur Karl Markovics als Hauptdarsteller für „Nobadi“ (seit 4. Oktober in den Kinos) engagiert. Der Film lässt in einer Schrebergartensiedlung einen alten Mann (Heinz Trixner) auf einen afghanischen Flüchtling treffen. Mittlerweile ist Zadeh bei einer Schauspielagentur unter Vertrag. Im kommenden Jahr wird er wieder für zwei Produktionen vor der Kamera stehen – eine österreichische und eine amerikanische.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 14.10.2019)

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