Kritik

„El Camino“: Noch ein bisserl „Breaking Bad“

Hauptdarsteller Aaron Paul mit Regisseur Vince Gilligan (Mitte) am Set von „El Camino“.
Hauptdarsteller Aaron Paul mit Regisseur Vince Gilligan (Mitte) am Set von „El Camino“. (c) Netlifx
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Vince Gilligan hat der Erfolgsserie mit „El Camino“ einen zweistündigen Nachschlag verpasst. Kann man machen. Hätte er aber auch bleiben lassen können.

Was war das für ein Finale! Und wie grausam genau beobachtet. „Breaking Bad“ schloss mit dem Abgesang auf einen Mann, der sich immer weiter verstrickt, bis er selber glaubt, dass er nur tut, was getan werden muss. Der vorgibt, an die Familie zu denken, und dabei alles zerstört und die Liebe derer verliert, die ihm am nächsten sind. Dabei hätte man es belassen können, alle waren zufrieden, die Kritiker, die Fans, und außerdem gibt es ja mit „Better Call Saul“ ohnehin ein Spin-off, das der Originalserie in nichts nachsteht, außer dass Gewalttätigkeiten keinen so großen Raum einnehmen.

Warum also ein Nachschlag? Der zweistündige, am Freitag bei Netflix veröffentlichte Film „El Camino“ kann das auch nicht wirklich erklären. Wobei es jedenfalls schlimmer hätte kommen können: Vince Gilligan weiß, dass die Geschichte des fehlgeleiteten Patriarchen Walter White fertig erzählt ist, und versucht erst gar nicht, noch etwas auszubuchstabieren. Er konzentriert sich auf Jesse, der seinem Käfig und seinem Peiniger, Todd, entkommen ist – mit wildem Lachen, den Fuß am Gaspedal. Hier setzt der Film an: Jesse ist auf der Flucht, mit dem El Camino, so der Name des Autos.

„El Camino“, dem Film, fehlt die psychologische Tiefe der Serie: Wir sehen Jesse dabei zu, wie er von grausamen Flashbacks gepeinigt wird, ein Gejagter nicht nur der Polizei, sondern auch seiner eigenen Erinnerung. Er ist verstört, sehr verstört, ausgiebig fängt die Kamera Aaron Pauls waidwunden Blick ein. Und Todd, sein Peiniger, ist böse, sehr böse. So böse, dass er die in den Teppich eingerollte Leiche seiner Putzfrau wieder auswickeln lässt, weil er den Gürtel, mit dem er sie erwürgt hat, noch brauchen kann. So böse, dass er im Auto auf dem Weg in die Wüste, wo er ihren Körper loswerden will, ganz glückselig einen Song von Dr. Hook mitsingt. Ja, so sehen Psychopathen aus, das wissen wir jetzt.

Letzter Auftritt von Robert Forster

Zu den Highlights des Films zählen: Die verpeilten Freunde Badger und Skinny Pete, die gar nicht verpeilt dafür sorgen, dass der Fluchtwagen verschwindet, weshalb der El Camino nur in der ersten Viertelstunde eine Rolle spielt. Ein allzu neugieriger Pensionist, der jedem erklärt, dass er im Restaurant- und Gastgewerbebedarf tätig war. Und der missmutige Staubsaugerverkäufer und dunkle Fluchthelfer Ed, der schon Walter White in einer einsamen Hütte im Wald dem Zugriff des Gesetzes entzogen hat – und nun Jesse eine neue Identität verschafft. Was fast daran scheitert, dass Jesse statt der nötigen 250.000 nur matte 248.200 Dollar im Plastiksack anschleppt.

Robert Forster spielte diesen wortkargen und tatkräftigen Kerl. Er ist am Freitag, also am Tag der Veröffentlichung des Films, im Alter von 78 Jahren an einem Hirntumor gestorben, die Krankheit war erst im Juni diagnostiziert worden. „Ein wahrer Gentleman, der das Schauspielen liebte“, so erinnerte sich Aaron Paul. „Breaking Bad“-Hauptdarsteller Bryan Cranston würdigte auf Twitter einen „reizenden Mann und großartigen Schauspieler“.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 14.10.2019)

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