Queen's Speech

Der Brexit- und Law-and-Order-Kurs des Boris Johnson

Queen Elizabeth II. zog an der Seite ihres Thronfolgers, Prince Charles, in den Parlamentssaal ein.
Queen Elizabeth II. zog an der Seite ihres Thronfolgers, Prince Charles, in den Parlamentssaal ein.REUTERS
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Königin Elizabeth II. verlas die Regierungserklärung von Premier Boris Johnson. Vom Brexit war nur zu Beginn die Rede, er hat aber „Priorität“. Diesmal sorgte auch kein Hut der Queen für Interpretations-Versuche.

Eine „Queen's Speech“, also die von Queen Elizabeth II. verlesene Regierungserklärung, ist in Großbritannien immer noch eine große Zeremonie voller Traditionen. Am Montag war es wieder soweit. Und kurz vor der Deadline der Brexit-Verhandlungen wurde die Monarchin genau beobachtet. Die Worte, die die 93-Jährige verliest, stammen von Regierungschef Boris Johnson. Streng neutral bewältigte sie ihre kurze Rede. Es ist nicht ihre Art, durch Gestik, Betonung oder sonstige Anzeichen, das Regierungsprogramm zu bewerten. Doch ein Hut sorgte vor zwei Jahren für Schlagzeilen.

Rückblick in den Juni 2017: Hat Königin Elizabeth II. damals womöglich indirekt zum Brexit Stellung bezogen? Bei der letzten Regierungserklärung sorgte der Hut der Königin für Spekulationen. Die Kopfbedeckung aus Königsblau mit gelben Blumen sah für einige aus der Ferne verdächtig nach der europäischen Flagge mit den im Kreis angeordneten gelben Sternen aus. Der britische Parlamentarier Paul Flynn bezeichnete die Kopfbedeckung der Queen als "Anti-Brexit-Hut".

Archivbild aus dem Jahr 2017: Die Queen mit dem "Anti-Brexit-Hut".
Archivbild aus dem Jahr 2017: Die Queen mit dem "Anti-Brexit-Hut".(c) APA/AFP/POOL/CARL COURT (CARL COURT)

Kutschfahrt, Türzuschlagen

Um 12.30 Uhr mitteleuropäischer Zeit begann die Queen im Parlament in London die Rede. Die „Queen's Speech" ist die einzige Gelegenheit, bei der Unterhaus, Oberhaus und Monarchin offiziell zusammentreffen. Nicht länger als 20 Minuten dauerte es, Boris Johnsons Regierungsprogramm zu verlesen.

"Es war immer die Priorität meiner Regierung, den Austritt des Vereinigten Königreichs aus der EU am 31. Oktober sicherzustellen", sagte die Königin vor den Abgeordneten. Der Premierminister kündigt in seinem Programm einen deutlich härteren Kurs bei der Bekämpfung der Kriminalität an. Auch gegen Verbrecher aus dem Ausland will die Regierung künftig schärfer vorgehen, wie aus der Erklärung hervorgeht. Johnson will unter anderem 20.000 Polizisten zusätzlich einstellen. Der Brexit war zu Beginn der Rede Thema. Die Regierung Johnson stehe zum Austritt aus der EU am 31. Oktober. Außerdem plant die Regierung geplante Investitionen in das marode Gesundheitssystem NHS (National Health Service) und die Infrastruktur des Landes. Auch Umweltschutzmaßnahmen zur Reduzierung der Luftverschmutzung und des Plastikmülls sind geplant. Insgesamt soll der Lebensstandard erhöht werden. Der Premierminister will Großbritannien "zum besten Platz auf der Erde" machen, wie aus einer Mitteilung der Downing Street weiter hervorgeht.

Zuvor war die pompöse Kutschfahrt der Königin zum Westminster-Parlament viele Schaulustige anziehen. Zu dieser Gelegenheit ist sie mit Krone und feierlicher Robe zu sehen. Die vergoldete "Diamond Jubilee State Coach" wurde von sechs weißen Pferden gezogen. Begleitet wurde sie von Thronfolger Prinz Charles und dessen Ehefrau Herzogin Camilla. Im Oberhaus verliest sie in Anwesenheit der Parlamentarier die Regierungserklärung des Premierministers. Für Elizabeth II. ist es bereits die 65. "Queen's Speech".

Zu den vielen Traditionen gehört, dass das Unterhaus einem Gesandten des Oberhauses die Tür vor der Nase zuschlägt, um seine Unabhängigkeit zu demonstrieren.

Hektische Brexit-Verhandlungen

Ob es rechtzeitig vor dem EU-Gipfel am Donnerstag und Freitag zu einer Einigung zwischen London und Brüssel kommt, ist ungewiss. Am Wochenende war es trotz intensiver Gespräche nicht zu einem Durchbruch gekommen. Die Verhandlungen in Brüssel sollen am Montag fortgesetzt werden.

Die "Times on Sunday" berichtete unter Berufung auf eine ungenannte Quelle, Johnson wolle in diesen Tagen mit EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker, Frankreichs Präsidenten Emmanuel Macron und Bundeskanzlerin Angela Merkel sprechen, um auszuloten, ob eine Einigung im Brexit-Streit noch möglich ist. Johnsons Botschaft sei dabei: "Lasst es uns zu Ende bringen", zitierte die "Sunday Times" eine Insider-Quelle. Andernfalls werde der Premier vorschlagen, eine "freundliche Version des No Deals" zu wählen, bei der die schlimmsten Konsequenzen eines ungeregelten Austritts abgefedert werden sollen.

Die Zeit läuft Verhandlern davon

Am vergangenen Donnerstag war nach einem Treffen Johnsons mit dem irischen Regierungschef Leo Varadkar unerwartet Bewegung in die Gespräche gekommen. Nach EU-Angaben hat London Zugeständnisse bei der Frage in Aussicht gestellt, wie künftig Zollkontrollen zwischen dem britischen Nordirland und dem EU-Mitglied Irland vermieden werden können. Daraufhin begannen beide Seiten am Samstag eine neue, intensive Verhandlungsrunde.

Sollten sich London und Brüssel bis zum EU-Gipfel einig werden, hätte Johnson nur noch einen Tag, um die Zustimmung des Unterhauses einzuholen. Ansonsten muss er einem Gesetz zufolge eine Verlängerung der Brexit-Frist beantragen. Nach derzeitigem Stand soll Großbritannien am 31. Oktober aus der EU austreten. Am Samstag könnte es daher zum großen Showdown kommen, bei dem Johnson seinen Brexit-Deal vorlegen könnte. Es gilt aber als sehr zweifelhaft, ob er eine Mehrheit erringen kann. Der Premier wäre auf Unterstützung aus der Opposition angewiesen.

(APA/dpa)

(APA/dpa)

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