Am Beginn der heutigen Mariahilfer Straße im 6. Bezirk befand sich ab 1830 das „Casa Piccola“ samt Café. Und gleich darüber: der Modesalon der Schwestern Flöge.
Wenn historische Wohn- und Geschäftshäuser ihre interessanten Geschichte(n) selbst erzählen könnten, dann wäre das „Casa Piccola“ (dt.: kleines Haus) sicher mit von der Partie. Markant, prächtig, nicht zu übersehen und ausgestattet mit einer prominenten Adresse. Es befindet sich an der Mariahilfer Straße 1b (kurz: Mahü) in 1060 Wien. Aber von wegen klein: „Davon kann hier ganz und gar nicht die Rede sein“, sagt jemand, der es wissen muss: Andreas Nierhaus ist Kunsthistoriker, Kurator im Wien-Museum sowie Mitautor eines neuen Bildbandes über die Geschichte des Wiener Zinshauses.
Das nach dem Kaffeehausbesitzer Dominik Casapiccola im Jahr 1830 benannte Objekt sei zudem ein gutes Zinshaus-Beispiel. Nachdem viele von ihnen während der beiden Weltkriege zerstört wurden, hatte das „Casa Piccola“ Glück im Unglück: Bis auf einige wenige Details sehe es noch wie zu seiner Bauzeit aus, erzählt Nierhaus.

Vor allem in den 1950er- und 1960er-Jahren wurden bei den meisten Häusern der Fassadenschmuck „abgeschliffen, um eine aus damaliger Sicht moderne Stadt zu bauen“. Nicht ganz so beim bis heute gut erhaltenen „Casa Piccola“, das sich – mit seinem französisch anmutenden „Grand Café“ samt Terrasse – am äußeren Rand des Wiener Glacis befand. Man kam aus der ganzen Stadt hierher, um zu flanieren und die prächtige (noch unverbaute) Aussicht auf die beiden großen Museen (KhM und NhM), die Hofburg und den Stephansdom zu genießen.
Haus mit Höhensprung
Anlässlich der Straßenerweiterung wich das bestehende Haus etwas versetzt einem Neubau, der sich bis heute entlang einer ganzen Häuserzeile erstreckt. Wie bei zahlreichen Zinshäusern Wiens fungierte auch beim neu errichteten Gebäude die Wiener Baugesellschaft 1895/96 als Bauherr.
Für die Architektur zeichneten Theodor Bach und Carl Schumann verantwortlich. Die beiden mussten sich einer topografischen Herausforderung stellen, der der vorliegende Höhensprung hinunter zur Rahlgasse zugrunde lag. Diesen galt es zu überbrücken, und zwar mit „kreativen Konstruktionsmethoden vonseiten der Architekten“, weiß Nierhaus.

Auf der Mahü-Seite verfügt das Gebäude nun über fünf, bei der Rahlgasse über sieben Geschoße. „Dieses Asset ist etwas ganz Besonderes.“ Aber nicht nur, denn mit dem einzigartigen Turm markierte damals wie heute das Haus einen wichtigen „städtebaulichen Punkt“. In der Erdgeschoßzone befindet sich aktuell die Filiale einer Schuhhandelskette.
„Dieses Asset ist etwas ganz Besonderes.“
Andreas Nierhaus
Modesalon Flöge und Ateliers
Darüber, im ersten Stock – von der Mahü aus gesehen – lohnt es, einen Blick auf die Fassade zu werfen: An den breiten und hohen Fenstern ist die Geschäftszone von damals erkennbar. Hier unterhielt Emilie Flöge um die Jahrhundertwende gemeinsam mit ihren beiden Schwestern einen Modesalon. Der mit Flöge liierte Gustav Klimt entwarf unter anderem die Visitenkarten für den Salon.

In den darüber liegenden Stockwerken befanden sich großzügige Mietwohnungen mit Raumhöhen von rund drei Metern. Imperial anmutend: das Entree mit einer zwar zugemauerten Portiersloge, erkennbar an den erhaltenen klassizistischen Ornamenten, sowie das „charakteristische Stiegenhaus“. Istrisches Gestein wurde beim Bau der Stufen verwendet, das „ewig“ hält und feuerfest ist.
Zum Ort
Mariahilf ist einer der dichtest bebauten Bezirke Wiens und wird dominiert von gründerzeitlicher Blockrandbebauung. Der Bezirksteil Laimgrube, hier befindet sich das „Casa Piccola“, ist nach wie vor für seine Bars und Kaffeehäuser – unter anderem das Café Sperl – bekannt.
Derzeit kosten Neubauwohnungen (im Erstbezug) im 6. Bezirk rund 6800 Euro/m2. Die Mietpreise belaufen sich im Schnitt auf circa 14,50 Euro/m2. (Quelle: Wohnungsmarktbericht, EHL)
Die sehr klein gehaltenen Grüß-Balkone dienten eher zur Behübschung der Fassade und wurden kaum benutzt. „Außer wenn der Kaiser vorbeikam und ihm zugewinkt wurde.“ Das Bewohnen des Dachgeschoßes war nicht gestattet. Fotografen und Künstler nutzten die lichtdurchfluteten Räume aber gern als Ateliers. „Damit erschloss man erstmals das sogenannte Penthouse“, erzählt der Kunsthistoriker.
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