Hausgeschichte

Südoststeiermark: Vom Kuhstall zum Weingut

Schreyer, David
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Wie ein alter Kuhstall in Pichla in der Steiermark zum Weingut Locknbaur wurde, warum der Raum fast sakral anmutet, und wie die junge Berliner Architektin Mascha Ritter eigentlich zu diesem, ihrem ersten, Projekt kam.

„Ich hatte in Berlin eine Mitbewohnerin, die eine Zeit lang in Wien studiert und dort den Bauherrn kennengelernt hat“, erzählt Mascha Ritter zur Vorgeschichte ihres ersten Projekts. Ausgangspunkt war ein verfallener Hof in Pichla bei Tieschen, den der Besitzer erst an den Bauherrn verkaufte, als dieser ihm versichert hatte, dort wieder Landwirtschaft zu betreiben. Auch wenn es Weinbau statt Viehhaltung sein sollte.

Das Ensemble bestand aus einem Wohn- und einem Wirtschaftsgebäude. Ritter: „Das kleine Wohnhaus haben wir mehr oder weniger so belassen, nur neue Fenster und neuen Boden eingezogen, keine strukturellen Veränderungen vorgenommen. Jetzt wohnt dort der Bauherr auf rund 40 m2, da er das Ensemble möglichst original erhalten wollte.“

Dach ab, Raum rein

Hauptaugenmerk galt dem ehemaligen Stall, der sich zur Weinproduktionsstätte samt Gästebereich mit Buschenschank wandeln sollte. Dazu musste zuerst das Dach abgenommen und erneuert werden. Zusätzlich wurde das Gebäude auf beiden Seiten verlängert, auf rund 50 Meter. Original erhalten blieb ein gemauerter Korpus mit Gewölbedecke, in dem heute die Produktion untergebracht ist. Die noch stehende Mauer bildet die Grenze zwischen dem öffentlichen Bereich und der Produktionsstätte. Dazwischen ist ein Weinkeller untergebracht. Der Rest der Holzwände wurde mit Holzwolle gedämmt.

(c) (c) Schreyer, David


„Uns war es wichtig, die räumlichen Qualitäten und den Charakter des bestehenden Komplexes zu erhalten und Bezug auf die regionalen Bautraditionen zu nehmen. Das Langhaus ist eine Interpretation des alten Gehöfts mit seinem charakteristischen einseitig auskragenden Vordach“, erklärt Ritter ihre Intentionen und ihr Konzept.

(c) (c) Schreyer, David


Der untere Teil ist, wie in der Region üblich, gemauert, darauf sitzt eine Holzkonstruktion. Dementsprechend ist das Erdgeschoß durch robuste Oberflächen, rohes Mauerwerk und Sichtbeton geprägt, während der obere Teil vollständig von Holz dominiert wird. Der große Raum ist offen bis zum Dachstuhl aus Fichte, wobei für die Dachstuhlträger eine Kreuzform gewählt wurde, „die dem Raum Luft gibt“. Eingezogen wurde auch eine offene Galerie, „da wir verschiedene Bereiche und Stimmungen schaffen wollten und eine parallele Nutzung ermöglichen. Dazu kommen Loungeteil und Showküche.

Weinbau als Klammer

Der Boden ist in Esche ausgeführt, Decke und Wandtäfelungen aus Weißtanne. Auch die Fassade ist mit Holzlamellen verkleidet, „wodurch die Fenster sozusagen verschwinden und sich auch hier ein einheitliches Bild ergibt, das sich an die örtliche Bautradition anlehnt“.
Der großzügige Innenraum, die visuellen Bezüge zur Umgebung sowie die Einblicke in verschiedene Gebäudebereiche ermöglichen den Besuchern das Erleben von Örtlichkeit, Produkt und dessen Herstellung. Der Gästebereich verfügt über große Schiebetüren aus Glas, die das Innen mit dem Außen verbinden sollen, denn vor den Glastüren sind unter dem relativ weit vorkragenden Dach Tische und Stühle aufgestellt, um den Wein auch im Freien genießen zu können.

(c) (c) Schreyer, David


Ritter hat aber hinter dem Wohnhaus auch noch eine kleine „Garage“ hingestellt, die den Hof nach dieser Seite hin abschließt, „im Prinzip nur Holzwände und ein Dach“, in dem die Hackschnitzelheizung und ein Raum für Traktoren und die notwendigen Maschinen untergebracht sind und auf dessen Dach sich Fotovoltaikpaneele befinden. „Der Hausherr möchte nachhaltig produzieren und so autark wie möglich sein“, erklärt Ritter.

Zum Ort, zum Objekt

Rund 1200 Einwohner zählt die Argrargemeinde Tieschen, zu der das kleine Pichla gehört. Wo heute Wein verkostet und gelagert wird, sind einst etliche Kühe gestanden – eine Weiterführung von Landwirtschaft war Voraussetzung für den Kauf. Auch beim Umbau 2021 durch Mascha Ritter wurde auf regionale Traditionen geachtet, ein Raum des Weinguts Locknbauer ist noch original erhalten. Einfamilienhäuser kosten in der Südoststeiermark in (sehr) guter Lage durchschnittlich 1900 Euro/m2.

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