Nordsyrien

Erdogan strebt "endgültigen Sieg" an

Ein Blick von der türkischen Seite auf die umkämpfte Stadt Ras al Ain.
Ein Blick von der türkischen Seite auf die umkämpfte Stadt Ras al Ain.APA/AFP/OZAN KOSE
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Der türkische Präsident will die „begonnen Arbeit“ in Nordsyrien „zu Ende bringen“. Alle US-Truppen in Nordsyrien erhielten nun den Befehl, das Land zu verlassen.

Trotz internationaler Kritik hält der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan an der Offensive gegen Kurdenmilizen im Nordosten Syriens fest. "Unser Kampf wird weitergehen, bis der endgültige Sieg errungen ist", sagte Erdogan am Montag. "Wir werden die Arbeit, die wir begonnen haben, auf jeden Fall zu Ende bringen." Die Türkei werde "Drohungen keine Beachtung schenken".

Erdogan wies Kritik der Europäischen Union (EU) und der Arabischen Liga an seinem Vorgehen zurück und forderte zugleich internationale Gelder für seine Pläne zur Errichtung einer sogenannten Sicherheitszone im benachbarten Norden Syriens.

Dort hatte die Türkei vergangene Woche eine Militäroffensive gegen die Kurdenmiliz YPG gestartet. Auf syrischem Boden will Erdogans Regierung eine 30 Kilometer breite Zone errichten und die YPG zum Abzug aus dem Gebiet zwingen. Die Türkei betrachtet die Miliz als einen Ableger der verbotenen Arbeiterpartei PKK und damit als Terrororganisation. Unterdessen stationierte Syrien in mehreren Grenzstädten Truppen. Vorausgegangen war eine Verständigung der Regierung in Damaskus mit dem von der YPG geführten Rebellenbündnis Syrische Demokratische Streitkräfte (SDF). Wegen der Angriffe der Türkei stoppten Deutschland und Frankreich neue Waffenexporte in das Nato-Land. Am Montag verständigten sich zudem die Regierungen der EU-Länder darauf, ihre Waffenlieferungen zu begrenzen.

Kurden sehen „scherzhaften Kompromiss"

Die Kurdenmilizen in Nordsyrien haben die Vereinbarung mit der Regierung in Damaskus über die Verlegung syrischer Truppen an die türkische Grenze als "schmerzhaften Kompromiss" bezeichnet. "Wir stehen den türkischen Messern jetzt mit nackter Brust entgegen", schrieb der Kommandant der von Kurdenmilizen angeführten Syrischen Demokratischen Kräfte (SDF), Maslum Abdi, in einem Beitrag für das US-Magazin "Foreign Policy".

Für den Abzug der US-Truppen zeigte Abdi Verständnis, erklärte aber zugleich, dass die Kurdenmilizen ratlos zurückbleiben würden. Die USA seien keine "Weltpolizei", hätten in Syrien bei der Suche nach einer politischen Lösung aber eine wichtige Rolle. "Wir sind enttäuscht und frustriert von der derzeitigen Krise", schrieb Abdi. "Zwei Fragen bleiben: Wie können wir unser Volk am besten schützen? Und sind die Vereinigten Staaten noch unserer Verbündeter?"

US-Truppen verlassen Nordsyrien

Alle in Nordsyrien stationierten US-Truppen haben mittlerweile den Befehl erhalten, wegen der türkischen Militäroffensive gegen die Kurden das Land zu verlassen. Rund 1000 Soldaten würden Syrien verlassen, lediglich ein kleines Kontingent von 150 US-Soldaten bleibe auf dem südsyrischen Stützpunkt Al-Tanf stationiert, sagte ein US-Vertreter am Montag der Nachrichtenagentur AFP.

US-Präsident Donald Trump unterstellte den kämpfenden Kurden, sie wollten mit der Freilassung von Terroristen des "Islamischen Staats" (IS) die USA in den Konflikt mit der Türkei hineinziehen. Die "Kurden könnten einige freilassen, um uns zu verwickeln", twitterte Trump am Montag.

IS-Kämpfer könnten aber "leicht" von der Türkei oder den europäischen Staaten, aus denen sie kämen, eingefangen werden - aber sie sollten sich beeilen, schrieb der US-Präsident.

Die von der Kurdenmiliz YPG angeführten Syrischen Demokratischen Kräfte (SDF) waren im Kampf gegen den IS ein wichtiger Verbündeter der Vereinigten Staaten. Die USA hatten kurz vor Beginn der Offensive der Türkei, die sich gegen die YPG-Miliz richtet, rund 50 Soldaten aus dem unmittelbaren Gebiet abgezogen. Mit dem Schritt machte Trump faktisch den Weg frei für den Einsatz. Am Wochenende hatte er zudem an, dass mit dem Abzug der rund 1000 Soldaten aus Nordsyrien begonnen werden soll.

„Große Sanktionen kommen"

Trump verteidigte seine Entscheidung des Truppenabzugs am Montag erneut. "Glauben die Leute wirklich, dass wir gegen das Nato-Mitglied Türkei in den Krieg ziehen sollten?", twitterte er. Die US-Regierung dringt auf den Abbruch der türkischen Offensive und hat den Nato-Partner mehrfach gewarnt. "Große Sanktionen gegen die Türkei kommen!", twitterte Trump.

Die SDF halten Tausende IS-Kämpfer in teils improvisierten Gefängnissen gefangen. Nach Angaben der kurdischen Autonomiebehörde und der Syrischen Beobachtungsstelle für Menschenrechte in London sind im Zuge der Kämpfe zwischen türkischen Truppen und Kurdenmilizen 780 IS-Unterstützer aus einem Lager ausgebrochen. Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan sprach von "Desinformation".

(APA/dpa/Reuters)

(APA/dpa/Reuters)

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